October 08, 2004

Simulated Stimulation

Es ist seltsam wie alles zur Routine werden kann. Auf der einen Seite gut, die beruhigende Sicherheit des Vorhersagbaren. Auf der anderen Seite öde, es fehlt der Kick des Neuen. Das Hotel kenn ich nun schon ziemlich gut. Der Souk hat sich auch kaum verändert, abgesehen von den immer neuen Wellen chinesischer Plastik-Pseudo-Markengüter, den "Novelities" und sonstigem Trash. Gut essen kann man hier immerhin, allerdings nahezu ausschliesslich in den Restaurants die den grossen Hotels angegliedert sind (weil nur die eine Alkohol-Lizenz haben). Die Stadt mit ihren endlosen im US-Stil von hässlichen Vorstadtfirmen-Gebäuden gesäumten Schnellstrassen, den Staus und dem fehlenden Grün finde ich nicht mehr so reizvoll wie beim ersten Mal. Die Muster haben sich herauskristallisiert, nur noch ein paar Feinheiten und Details kommen hinzu. Die Shopingcenter sind langweilig, wenn der Konsumzwang so brachial daherkommt wie hier kickt es nicht mal mehr ihm nachzugeben.

Es gibt nur wenig richtige Kultur hier. Zu viel ist artifiziell, importiert, irgendeinem Vorbild irgendwo nachempfunden, ein mit Geld aufgeblasener und vergoldeter Abklatsch. Man kann hier schon materiell gut leben. Die Sonne scheint, es ist warm, das essen ist gut, die Leute freundlich und das Wachstum brachial. Aber hier leben, zu so einem Expatriate (kurz Expat) werden wie so viele wurzellose Geldjäger hier, das ist nicht mal einen Gedanken wert. Eine gewachsene Stadt mit Geschichte und Geschichten, mit nichtkommerziellen Strukturen und echter Kultur ist Dubai nicht, und ohne so eine Grundlage zu leben ist oberflächlich und wurzellos. Und so wie die Strukturen sich hier entwickeln, mit dem Tempo wie hier abgerissen und neugebaut wird, ist es auch nicht absehbar das sich so etwas wie Kultur in absehbarer Zeit entwickeln kann. Selbst einiges der arabisch-islamischen Traditionen kommen mir hier mittlerweile nur noch vor wie Teil der Inszenierung, reduziert auf ein paar lästige Verhaltensregeln, Moralkodizes und ein bischen Folklore.

An einem Abend waren wir kurz einer Nachtclub-Party eines Herstellers. Das ganze fand in einem Schicki-Club statt, vollgepackt mit britischen Expats. Auf dem Weg dahin kamen wir durch eine Wohn/Hotelanlage names Madinat Jumeirah. Sehr gediegen, moderne arabische Architektur vom Feinsten mit Kanälen und Uferpromenaden. Teil der Anlage war eine Souk-Simulation die so dermassen Disneyartig daherkam das es schon fast wieder Stil hatte. Das Essen im "Noodle House" war teuer, sparsam, gut und wiederum eine Asia-Simulation. Die Gespräche im Club (Door policy: "Smart casual dress, Mixed gender groups") drehten sich darum wer aus der Bekanntschaft gerade wo auf der Welt ist und wie lange man noch hier in Dubai ist und wohin es danach wohl gehen wird. Eher gruselig. Es ist ja schön um die Welt zu reisen und neue Sachen zu sehen. Aber seine Wurzeln so komplett zu verlieren nur um irgendeinem anonymen gedächtnislosen Unternehmen seine Lebenszeit für bedruckte Papierscheinchen zu opfern, das kann nicht gesund sein. Ich hab es dann auch nicht lange ausgehalten unter all den Smart Casual gekleideten materiell Motivierten. Immerhin noch ein interessantes Gespräch kurz vorm losgehen, das war es warum wir eigentlich gekommen waren...

Posted by frank at October 8, 2004 01:29 PM | TrackBack