Jahrhundertgerechter Personentransport

Ich wollte ja schon vor einer ganzen Weile mal ueber den derzeit interessantesten Trend im Bereich Personennahverkehr bloggen, aber es kam nicht so recht dazu. Nun als mit genuegend Vorlauf zum Fruehjahr hier meine gesammelten Gedanken zum Thema elektrifizierte Fahrraeder.

Seit Sommer letzten Jahres habe ich mein Anthrotech-Trike mit einem elektrischen Zusatzantrieb aufgebohrt. Im Kern ging es mir darum, das Motivationsloch fuer naechtliche Nachhausefahrten in angemuedetem Zustand und laengere Strecken mit laestigen Bergabschnitten, wie sie in Berlin doch hauefiger vorkommen, zu loesen. Morgens hin mit Muskelkraft, nachts retour mit Elektronenhilfe.

Da ich das ganze erstmal als Experiment angesehen habe (wie auch das Liegerad-Trike fahren) war ich auf eine billige Loesung aus, die relativ einfach zu montieren und zu modifizieren ist. Nach einigem Suchen entschied ich mich fuer ein Kit von Akkubike . Die Anbringung war doch mehr Gefummel als erwartet. Nach so etwa zwei Wochen fluchen und basteln wg. abspringender Kette und rutschender Motorbefestigung (das Kit ist urspruenglich nicht fuer den quadratischen Gabelrohrquerschnitt des Anthrotech ausgelegt) hatte ich die Probleme, mit HIlfe einiger derber Stahlschellen, in den Griff bekommen.

Das Fahrgefuehl ist sehr cool. Am besten laesst es sich mit “zuschaltbarer Rueckenwind” beschreiben. Die 250W nominelle Motorleistung reichen in den meisten Situationen gut aus um z.B. den Berg an der Veteranenstrasse entspannt mit gleicher Trittfrequenz wie auf ebener Strecke ohne Motor hochzufahren.

Wie alle Billigloesungen im Bereich neue Technologien hat der Aufbau auch ein paar Verbesserungsmoeglichkeiten. Der Motor ist noch kein buerstenloser Aussenlauefer, sondern scheint eher aus einer Bohrmaschine oder aehnlichem zu stammen. Dementsprechend ist er unter Volllast doch deutlich zu hoeren (nicht stoerend allerdings) und nicht fuer Dauervollstrom ausgelegt. Der Motorcontroller schaltet wenns zu warm wird einfach ab, was auch mal bloed am Berg passieren kann, wenn man vorher zu faul zum treten war und ihn schon auf der Ebene heissgefahren hat. Ein weiteres Problem der Sparerei ist der Bleiakku, der mit langen Ladezeiten (so 6-8 Stunden real) und relativ heftigem Gewicht daherkommt.

Es besteht also Optimierungsbedarf. Das Anthrotech ist sehr schoen und hat sich in den allermeisten Aspekten als solide und stressfrei bewaehrt. Es passt auch problemlos in die Aufzuege zu den Bahnsteigen und in den Regionalexpress, fuer Umlandfahrten. Das Fahrgefuehl ist aeusserst entspannt und freudvoll. Allerdings ist es mir mitlerweile ein bischen zu langsam bei der fuer mich angenehmen Trittfrequenz, was sowohl mit der Schaltung als auch mit dem zu kleinen Hinterrad zu tun hat. (Falls jemand also ein etwas angejahrtes aber fahrbereites und fertig elektrifiziertes Anthrotech-Trike erwerben moechte, bitte mail an mich.)
Mein naechstes Trike wird ein 26er Hinterrad haben. Der naechste Motor wird sicher ein brushless Aussenlauefer sein, es gibt ja auch kaum noch etwas anderes. Die wichtigste Frage fuer die naechsten Wochen wird die Entscheidung zwischen einem Nabenmotor und einem Kettenmotor werden. Beide haben Vor- und Nachteile die es gegeneinander abzuwaegen gilt. Beim Motorcontroller entscheidet sich viel bzgl. Wirkungsgrad und Performance, insofern lohnt es auch hier genau hinzusehen bzw. gut an den Motor anzupassen. Da werd ich wohl mit den Elektronenradlern ein bischen basteln muessen.

Beim Thema Akkus stehen 2008 viele Neuerungen an. Am vielversprechendsten klingt Toshibas “Super Charge ion Battery” (SCiB). Ich hoffe die fangen wirklich im Maerz an zu liefern. Angesichts der Performancedaten , insbesondere bei der Lebensdauer, waere auch ein etwas hoeherer Preis zu rechtfertigen.
Ein Freund berichtete mir gerade aus China, das dort in verschiedenen Staedten Mopeds und Mofas praktisch verboten sind. Statt dessen sind dort Unmengen von Elektrofahrraedern unterwegs. Das erklaert auch die Schwemme von verschiedensten Fahradmotoren aus chinesischer Fertigung, die gerade auf ebay zu beobachten ist. Vielleicht finde ich da ja auch einen passenden Motor fuer kleines Geld, allerdings bleiben leise Zweifel an der Dauerhaltbarkeit der China-Motoren. Falls da ein geneigter Leser Erfahrungswerte hat, bin ich fuer Hinweise sehr dankbar.

Hirn aus!

Es ist schon bemerkenswert welche Blüten sinnloser Klima-Aktionismus treiben kann. Gerade stolperte ich über “Licht aus! Für unser Klima” , die Aufforderung am 8.12. um 20h für 5 min das Licht auszumachen. BILD, BUND, Greenpeace, WWF, Google, ProSieben und “viele Prominente” rufen gemeinsam auf, offenbar in absoluter Unkenntnis dessen, wie ein Stromnetz funktioniert.

Wieso diese Aktion schwachsinnig ist? Elektrische Verbraucher haben die Eigenschaft, daß sie beim Einschalten signifikant mehr Strom verbrauchen als beim Dauerbetrieb. Besonders prägnant ist das bei Glühlampen, die gegenüber der Nennleistung einen fünf- bis fünfzehnfach höheren Einschaltstrom haben. Gleiches gilt aber auch für Leuchtstoff- und Metallfadendampflampen, wenn auch nicht ganz so krass. Ca. um 20.04:30 werden also die Stromkonzerne alles was sie an Spitzenlastkraftwerken haben anfahren, um den für 20.05:00 zu erwartenden massiven Wiedereinschaltstrom zu bewältigen. Spitzenlastkraftwerke wiederum sind, mit Ausnahme von Pumpspeichern, die dreckigsten und teuersten Kraftwerke überhaupt. Höchstwahrscheinlich pustet die Aktion also mehr Dreck in die Atmosphäre. Wenn ich dann noch an die “weihnachtlichen” Glühbirnenmeere vor den Shoppinghöllen denke, die weiterhin fröhlich die Aussenluft heizen…

Ansonsten gibt es natürlich noch das kleine Problem, das unklar ist, ob das Stromnetz einen solchen Einschaltstromstoss aushält. So unter Testgesichtspunkten ist das sicher interessant zu beobachten. Also vorher mal die Backups checken, die Unterbrechungsfreie Stromversorgung für die Server streicheln und nicht drauf verlassen das der Strom um 20.05 anbleibt…

Update: Andreas und ich haben vorhin im Chat ein bischen gerechnet und es sieht wohl so aus als wenn es vielleicht ein bischen knapp wird, wenn wirklich 10 Millionen Haushalte richtig puenktlich aus- und anschalten. Die 3 Gigawatt Schwankung alleine sollte das deutsche Stromnetz noch hergeben (die Zahlen fuer die schnell schaltbaren Reservekapazitaeten sind ein bischen duenn). Wenn man den Einschaltpuls dazurechnet, wird es wohl nur sauber reichen, wenn noch europaeische Kapazitaten dazukommen. Ob die Aktion europaweit stattfindet, entzieht sich meiner Kenntnis. Wahrscheinlich machen die Energieversorger dann genau dort Blackout, wo viele Leute Oekostrom gebucht haben ;-)

Buchtip: Robert Harris, Imperium

Ich weiss, Robert Harris verkauft (zu recht) auch so genug Bücher. Aber ich muß schon sagen, Imperium war hinreichend lehrreich und unterhaltsam um eine lobende Erwähnung zu rechtfertigen. Harris erzählt die Geschichte von Marcus Cicero aus der Perspektive seines Sekretärs und Stenographen, des Sklaven Tiro. Es geht um Politik im antiken Rom, jedoch sind die Parallelen zur Jetztzeit unübersehbar. Und die Lehren über Politik und Politiker sind zeitlos. Wenn es um Machterhalt oder -gewinn geht, kennen sie nur taktische Loyalitäten und gehen im Zweifel einen faulen Kompromiß ein, auch wenn das in der Realität die verheerendsten Auswirkungen hat. Das Buch ist jedenfalls spannend, unterhaltsam und liest sich gut weg, insofern als Lektüre durchaus zu empfehlen.

Kein Fnord-Jahrsrückblick, weil…

Nachdem mich Fefe nun doch überredet hatte und wir den Talk eingereicht haben, fand sich offenbar, trotz intensiver Debatten, unter den zum Zeitpunkt der Entscheidung anwesenden Content-Kommitee-Aktiven keine Mehrheit für den Fnord-Rückblick. Wie schon in meinem ersten Post zum Thema erwähnt, gibt es halt Menschen, die den Stil nicht mögen, uns alle möglichen Untaten gegen Political Correctness und geheiligte Mainstream-Wahrheit vorwerfen oder die marxistisch-populistische Tiefe der Analyse vermissen. Und die waren nun gerade zufällig in ausreichender Zahl anwesend um den Talk abzulehnen. Sowas passiert eben.

Wären ich und Fefe bei dem Treffen dabeigewesen (ging leider nicht, manchmal haben auch wir ein Privatleben), hätte es vielleicht anders ausgesehen, aber das ist nun mal nicht zu ändern und bedarf keiner nachträglichen Beweinung. Die Kriterien und Methoden für die Vortragsauswahl auf dem Congress sind sicher trotz dramtischer (!) Verbesserungen in den letzten Jahren sicher noch verbesserbar, aber das probieren wir dann nächstes Jahr.

Ich habe jedenfalls gerade wichtigeres zu tun als in der heissen Vorbereitungsphase, wo jede Hand und jedes Bit Motivation gebraucht wird, rumzuningeln und schlechte Laune zu verbreiten. Es wird nach dem 24C3 wieder Feedback-Möglichkeiten für den Congress-Content geben, da ist dann auch der richtige Ort um auszudrücken was fürs nächste Mal gewünscht wird.

Bloggende Politiker…

Der geneigte Leser wird möglicherweise die Debatte um den Hamburger Wahlstift verfolgt haben, die sich nun langsam dem Ende zuneigt. Einer der wesentlichen Verfechter dieses Systems, das dem Wähler eine Papierwahl vorgaukelt, die im Kern eine Computerwahl ist, ist Kai van Vormizeele, seines Zeichens einer der Vertreter der CDU im Verfassungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft. Vor diesem Ausschuß hatten Rop Gonggrijp und ich die Ehre vor 10 Tagen zum Thema Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit des Digitalen Wahlstifts Stellung zu nehmen. Die Abgeordneten waren, drücken wir es mal freundlich aus, technisch nicht sehr versiert und von der komplexen Thematik leicht überfordert. Aber dazu in den nächsten Tagen mehr im Detail.

Wie es heutzutage so bei jüngeren hippen Politikern üblich ist, hat Herr van Vormizeele auch ein Blog und ist sehr lobenswert aktiv auf Abgeordnetenwatch. Bemerkenswert ist allerdings die kognitive Dissonanz, die er an den Tag legt, wenn es um die Sicherheit und Transparenz seines Lieblingsspielzeugs geht:

Ich möchte noch einmal ausdrücklich festhalten. Keiner der vermeintlichen Fachleute, insbesondere der CCC, konnte irgendeinen realen Angriffspunkt nachweisen. Die bloße Behauptung, ich könnte mir etwas vorstellen, hat glücklicherweise nichts mit der Realität zu tun. Der CCC hat aus einer sehr grundsätzlich Position heraus, Hamburg in einem Lage gebracht, bei der wir die erste Wahl in zu einem bundesdeutschen Landtag durchführen werden, die diverse sicherheitsrelevante Frage nur noch schemenhaft klären kann. ( Abgeordnetenwatch )

Was ist denn bitte in Hamburg im Trinkwasser, das Abgeordnete meinen, man könne mit einer Wahl “diverse sicherheitsrelevante Frage nur noch schemenhaft klären”?!

Es scheint, als ob Herr Vormizeele während der knapp fünfstündigen Anhörung primär nur körperlich anwesend war, während wir u.a. die Fälschbarkeit der Wahlzettel belegt haben und bis auf den einen Teilnehmer vom DFKI, der direkt dafür bezahlt wird, keiner der anderen Professoren und Experten das System sicher und verwenbar fand. Herr Vormizeele, findet jedenfalls, das sei schon alles nicht so schlimm mit dem Wahlstift, weswegen man den nun doch als Feldversuch verbindlich vorschreiben solle, weil das würde ja schon irgendwie werden mit der Sicherheit.

Aber wartet, in seinem Blog wird es noch besser. Unter der Ãœberschrift Wo der Populismus regiert… schreibt er: Die Behauptungen des Chaos Computer Club, alles sei unsicher sind vollkommen aus der Luft gegriffen. (…) Schlimm dieser Populismus!!!! .

Das finde ich nun aber echt saucool. Mir von einem, inhaltlich mehr als ahnungslosen, Vertreter der CDU (!) “schlimmen Populismus” bescheinigen zu lassen, weil ich es wage die Demokratie in seiner Heimatstadt vor Black-Box-Voting retten zu wollen, da will ich ein T-Shirt von haben. :-)

Falls also eine(r) der graphisch fähigeren LeserInnen Lust hat, mir für die Verwendung bei einem der üblichen Shirt-o-Maten ein “Schlimmer Populist!!!!”-Shirtmotiv zu basteln, vielleicht noch mit explodiertem Wahlstift, da wäre ich sehr dankbar für.

Na gut :-)

Ok, ok. Ich sehe es ein, die Fnord New Show ist wohl doch beliebter als angenommen und wir haben mitlerweile noch ein paar hübsche Ideen entwickelt.

Fnord Jahresrückblick unklar

Fefe und vor allem ich haben gerade so ein bischen Fnord-Jahresrückblick Ideen- und Motivationshemmung nach dem tollen Fußballspiel im letzten Jahr. Die verbreitetste Kritik an der Veranstaltung war ja immer, das die News-Items eh schon zu 90% bekannt sind, weil die Zuschauer eh alle die gleichen Blogs und Newsticker lesen. Ich wäre da mal an Feedback interessiert, ob die Veranstaltung noch Sinn macht etc. pp., Comments please.

Freiheitsspaltung

Ich zitieren ja normalerweise nicht aus der BILD, aber leider fand sich trotz längerer Suche nicht das Original der Umfrage die Emnid für die Bild am Sonntag zur Terrorfurcht der Deutschen gemacht hat. Trotz der allgemein bekannten Probleme mit der Aussagekraft von Umfragen finde die Resultate spannend, vielleicht gerade weil sie für die BILD gemacht wurde. So als Fortsetzung der “Wie dumm ist denn unser Volk eigentlich?”-Debatte in den Kommentaren.

Zuerstmal die gute Nachricht:
“73 Prozent fühlen sich nicht persönlich gefährdet.”

D.h. für den größten Teil der Leute ist Terrorismus immer noch so eine abstrakte Angelegenheit aus den Abendnachrichten. Die Zahl würde sich vermutlich nach einem Anschlag kurzfristig ändern, aber bildet schonmal eine gute Grundlage für den “Don´t Panic, Autofahren ist gefährlicher”-Ansatz.

“Jeder zweite Deutsche ist bereit, wegen der Terrorgefahr vorübergehend Einschränkungen persönlicher Freiheitsrechte (Stichwort: Online-Durchsuchungen) hinzunehmen. 48 Prozent stimmen solchen Einschränkungen zu, 47 Prozent lehnen sie ab.”

Hier schlägt natürlich wieder das BILD-Problem durch. Vorrübergehend ist an Freiheitsverlusten traditionell in Deutschland nichts. “Sicherheits”gesetze sind für die Ewigkeit. Ich würde ja zu gerne wissen, wie die Antwort ausgesehen hätte wenn nach “permanenten” Einschränkungen der Freiheitsrechte gefragt worden wäre.

D.h. nur eine echt knappe Hälfte der Bürger ist bereit den Schäublewahn zu dulden. Das ist nicht die Mehrheit, wie so mancher vermutet hätte!

“Auffallend: Die Bereitschaft, Freiheitsrechte zu opfern, ist in den westlichen Bundesländern (49 % ja, 46 % nein) erheblich größer als in der ehemaligen DDR (43 % ja, 53 % nein). Und Frauen (53 % ja, 41 % nein) sind für solche Einschränkungen offener als Männer (42 % ja, 54 % nein).

Immerhin, ein gewisser Ost-Erfahrungsbonus zeichnet sich doch ab. Das abstrakte Sicherheitsbedürfnis der weiblichen Bevölkerung scheint jedenfalls deutlich ausgeprägter zu sein als das der männlichen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, daß es analog zur sozial/politischen Spaltung des Volkes auch eine Spaltung im Freiheitsbedürfnis gibt. Ich würde vermuten, daß die Überlappungen eher komplex und nicht einfach zu erklären sind. Die sicherheits/freiheitspolitischen Ansichten nicht geringer Teile der Gerontokratie in der PDS-Linke sind jedenfalls eher mit der CDU/NPD kompatibel.

Falls ein geneigter Leser einen Link zur kompletten Umfrage incl. genauer Fragen ausbuddelt wäre ich für einen Vermerk in den Kommentaren dankbar.