Einige Leser mailten mir, daß sie die englische Version meiner Theorie zur Festsetzung der britischen Soldaten durch den Iran nicht ganz verstanden hätten und baten um eine deutschsprachige Erklärung. Hier also die etwas ausführlichere Variante auf deutsch (incl. einem kurzen Abriss zu Manipulationsmöglichkeiten von GPS):
Auf hoher See ist es gemeinhin relativ schwierig, seine genaue Position ohne ein satellitengestütztes Navigationssystem festzustellen. Die Orientierung an Landmarken u.ä. ist fehlerbehaftet und weiter draussen auf dem Wasser ohnehin mangels Orientierungspunkten nicht möglich. Das meistverwendete Satellitennavigationssystem auf Schiffen ist das Global Positioning System, kurz GPS .
Kontrolliert wird GPS vom US-Militär, genauer dem 50th Space Wing des Air Force Space Command . Die GPS-Informationen werden von den Satelliten gleichzeitig in zwei Varianten ausgestrahlt, einer zivilen und einer militärischen. Das militärische GPS-Signal ermöglicht eine genauere Positionsbestimmung, ist verschlüsselt und besser gegen Störung und Manipulation gesichert. Die militärischen Empfänger sind nicht auf dem freien Markt erhältlich. Empfänger für das zivile GPS-Signal sind billigst an jeder Ecke zu bekommen.
Es gibt ein sehr instruktives Video des US-Militärs, daß die Unterschiede zwischen den beiden Systemen, insbesondere beim Thema Manipulation und Störung darstellt.
Früher wurde das zivile GPS-Signal weltweit künstlich sehr ungenau gemacht (Stichwort: Selective Availability . Bill Clinton hat diese Praxis im Mai 2000 beendet, um die GPS-Industrie zu fördern. Das Militär wurde beauftragt, Methoden zu entwickeln, die etwas chirurgischer arbeiten, d.h. das Signal nur lokal begrenzt beeinträchtigen. Das Schlagwort dazu ist Navigation Warfare .
Die Methoden für Navigation Warfare sind das sogenannte Jamming, bei dem ein Störsignal ausgesendet wird, daß den Empfang von Positionsdaten komplett verhindert, sowie die Signalmanipulation um dem Gegner falsche Positionsdaten unterzuschieben. Jamming lassen wir hier mal ausser acht (die Auswirkungen werden in dem Video schön illustriert). GPS-Jamming Geräte gibt es mitlerweile von vielen Herstellern für wenig Geld.
Für die Analyse des Iran-Vorfalls interessanter ist die Signalmanipulation. Dafür gibt es zwei Wege. Das Air Force Space Command kann das Signal der Satelliten für eine bestimmte Region manipulieren, indem ein zufällig wechselnder oder feststehender Abweichungswert (sog. Offset) auf das zivile Signal gegeben wird. Die zivilen Empfänger in der betroffenen Region haben dann eine verringerte Genauigkeit (beim zufällig wechselnden Offset) oder zeigen eine um den feststehenden Offset verschobene Position an. Wie klein eine Region sein kann, für die eine solche Manipulation durchgeführt werden kann, ist unklar.
Der zweite Weg zur Manipulation ist, ein gefälschtes GPS-Signal mit Hilfe eines GPS-Signalgenerators auszusenden. Das gefälschte Signal hat eine grössere Sendeleistung als das eigentliche GPS-Signal, daß von den Satelliten kommt und daher schwach ist. Die GPS-Empfänger im Sendebereich des gefälschten Signals zeigen dann brav die falsche Positionen an, die durch den Signalgenerator erzeugt wird. Die Reichweite eines solchen Systems hängt neben der Sendeleistung auch von der Höhe des Senders ab, praktischerweise wird man also von einem Flugzeug oder einer Drohne aus senden, wenn man ein grösseres Gebiet abdecken will. Vom Mast eines Kriegsschiffes aus dürfte die Reichweite des gefälschten Signals immer noch im Bereich der Horizontsichtweite liegen, d.h. 8-15 km.
Die publizierten Angaben der Britischen Marine stützen sich praktisch ausschliesslich auf die GPS-Daten, die vom Empfänger an Bord eines der festgesetzten britischen Boote zum Mutterschiff übertragen wurden. Wir können annehmen, das die Royal Navy ihre Boote mit militärischen GPS-Empfängern ausstattet, d.h. die Daten (falls sie nicht nachträglich manipuliert wurden) auf nichtgestörtem Empfang beruhten.
Die Iranische Marine hingegen wird zwangsläufig mit zivilen Empfängern arbeiten, die gegen Signalmanipulationen empfindlich sind. Mit ein bischen gutem Timing und einer gezielten Manipulation des von den Iranern empfangenen zivilen GPS-Signals wäre eine Situation entstanden, in der die Briten zu recht annehmen, noch in irakischen Gewässern zu sein, während die Iraner, sich auf das Signal ihrer zivilen Empfänger verlassend, glauben die Briten in eigenen Gewässern zu sehen und sie hopsnehmen. Wenn nicht zufällig jemand in der Gegend ein genaues Protokoll des zivilen GPS-Signals geführt hat, wäre eine solche kurzzeitige Manipulation nicht nachweisbar. Beide Seiten wähnen sich im Recht. So sieht Elektronische Kriegsführung im 21. Jahrhundert nunmal aus…