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Zurück

Zurück aus dem Kurzurlaub. Kurzfassung: Mit dem Pferdeschlitten mitten im Nirgendwo abgeholt werden, und dann durch tief verschneite Landschaft zu zuckeln, rockt total. Das Landleben, wie es Freunde die wir besuchten leben, hat seine Reize (vor die Tür gehn und in strahlend klarer Luft über den Bodden schaun, selber Brot backen, Pferdeschlittenfahren…) und seine Schattenseiten (Rauch, Staub und diverse kleine Unbequemlichkeiten). Die Jasmund-Therme in Rügen ist immer noch super. Das Frühstücksbuffet in Steigenberger “Resorts” kann nicht mit dem in “richtigen” Steigenbergers mithalten, das Abendbuffet ist dafür recht schick (wenn auch überteuert).

Ansonsten bin ich dank ausführlichem planschen und saunieren einigermassen gut erholt und konnte dem zu erwartenden Gravitationskollaps beim Aufmachen meines mail-clients halbwegs gelassen entgegensehen. Das Jahr beginnt wie das vorrige geendet hat: arbeitsreich. Das Feedback vom Congress kommt immer noch, sehr ermutigend. Viele interessante Artikelvorschläge für die Datenschleuder, auch wenn einiges davon eher nach noch mehr Arbeit aussieht…

Rügen im Winter

Gerade im Zug in ein kleines Nest auf Rügen. Alles tief verschneit, auf dem Bahnhof diese seltsame Silvesternacht-Last-Minute-Menschenansammlung plus die übliche Alki-Bahnhofsrumhänger-Population. Gleich hab ich noch eine längere Nachtwanderung vor mir und dann eine Pferdeschlittenfahrt.

Die Werbung hier hat einen recht seltsamen Humor. Ausser der jahreszeitlich unangepassten Getränkereklame gab es noch eine Knorr-Werbung für Waldpilz-Aroma-Sossenpulver: “Pilze Gesucht. Geschmack Gefunden:”

Bielefeld

Bielefeld, tja. Padeluun hat mich überredet hierher zu kommen und morgen auf der Public Domain einen Vortrag zu halten. Das Wetter ist in Bielefeld gewöhnlich auch nicht schlechter als in Berlin (die Weltrevolution verlangte also keine übermässigen Opfer), ich konnte noch ein paar Leute besuchen und Dinge besprechen die schon lange liegengeblieben waren; also auf nach Bielefeld. Der abendliche Spaziergang durch die Fussgängerpassage war, wie soll ich sagen, abwechslungsreich. Die Innenstadt von Bielefeld ist ja leider ein prototypisches Bombenteppichhausen, nach dem Kriege aus dem Nichts wieder aufgebaut mit dem was halt so da war. Die Architektur ist meist nicht der Rede wert, vorherrschend ist das dreistöckige 60er-Jahre Westdeutschland-Wohn- und Geschäftshaus-Klötzchen. Immerhin wurde das verwinkelte Strassenlayout teilweise erhalten, so daß man nicht nur an den ganz wenigen restaurierten alten Häusern sieht wo früher mal die Altstadt war, sondern auch am Stadtplan.

rolling pervert

Die Zeit ist hier an einigen Ecken etwas stehengeblieben, die Architektur auch. Hier der Bielefelder Untergrund in vollem Retro-Charme.

bielefeld underground

Die Familiennamen auf dem Lande zeichnen sich ja oft durch eine gewisse derbe Direktheit, aus die dem verweichlichten Großstädter nicht so gegeben ist. Ich habe keine Ahnung, ob der Besitzer dieses Waffenladens sehr darunter leidet, stolz darauf ist oder den Namen gar zurecht trägt. Vieleicht kann mich ja ein Bielefelder Leser aufklären…

der letzte buchstabe ist wirklich ein H...

In der Fussgängerzone stehen interessante Spiel-Installationen herum. Das Ding in der Mitte der Säule ist ein in einem drehbaren Ring gelagerter, geschliffener grosser Kristall der hübsche Spiegelungen und Verzerrungen beim durchgucken macht. “Lichtstein” heisst die Installation.

glitzer.... funkel...

Noch so ein prima Spielzeug ist die Wasserstrudel-Säule, die eine Ecke weiter steht. Man dreht an der Kurbel und im Inneren der Säule entsteht ein toller Strudel, der auch noch einen Moment weiterstrudelt, wenn man aufhört zu kurbeln.

swirl1

swirlkurbel

swirl2

swirl propeller

Hergestellt werden die Teile von der Firma Graubner, vertrieben von Richter Spielgeräte . Grossartig. Mehr davon!

Im Herzen des Banalen

Während meines Besuchs hier hatte ich interessanterweise die Gelegenheit das NATO-Hauptquartier von Innen zu sehn. Hinter furchterregendem Stacheldrahtzaun, gespickt mit Kameras, machen die meist dreistöckigen Betonbauten schon von aussen nicht viel her. Wie zu erwarten gibt es innen nochmal abgeteilte Zonen, mit extra Zaun und Sicherheit. Bevölkert wird der Komplex von (wenn man von den erwartungsgemäß gehäuft anzutreffenden Uniformträgern absieht) normalen Büromenschen. Die Frauenquote ist etwa wie auf frühen Chaos-Congressen, d.h. nur knapp über der Messbarkeitsschwelle. Die Inneneinrichtung hat einen deutlichen 80er-Jahre-“Charme”, die Farbgebung ist eher minder inspirierend. Das Essen ist, kurz zusammengefasst, grauenhaft. Ein signifikanter Beitrag zum Weltfrieden wäre es, die Kantine mal in kompetente Hände zu geben. Ich erspare dem geneigten Leser hier mal die Details, aber Kriege sind schon aus weit geringerem Anlass vom Zaun gebrochen worden…

Brüssel

Der Flug von Schönefeld führte mich mit dem Jungfrauen-Express nach Brüssel. Virgin Express ist die Airline, die bisher in Mitteleuropa den Rekord in puncto abgeschrabbelte Sitze (sogar ohne das zum Fensterputen so praktische Kopf-Platzdeckchen) hält. Selbst Bulgarian Airlines mit ihren alten Ex-Lufthansa-Geräten sah besser aus. Vom Service habe ich nichts mitbekommen, immerhin war das Kabinenpersonal so freundlich meinen Schlummer zu respektieren (Augenmaske hilft).

Der Flughafen Brüssel ist seelenlos-ununterscheidbar, die übliche Glas/Stahl/lange Tunnel Angelegenheit bei der man nie weiss in welcher Stadt man ist (München? Düsseldorf? London? Frankfurt? Amsterdam?). Vermutlich wird Schönefeld dann genauso umgebaut, globalisierte Einheitsarchitektur ohne Gesicht.

Die Stadt (bzw. das wenige was ich mitbekam) ist sehr vielfältig bis wirr, der Abend-Stau auf den Hauptstrassen rekordverdächtig. Irgendwie wirkt Brüssel ein bischen heimatlos und zerrissen. Französisch und holländisch wird gesprochen (hier walonisch bzw. flämisch genannt), für den Uneingeweihten unvorhersehbar was wo bzw. bei welcher Gelegenheit. Vieles wirkt etwas importiert, nachgemacht oder abgeschaut, ohne das ich es wirklich fassen kann. Die übliche Globalisierung von Läden und Marken trägt natürlich auch dazu bei, wie die Vielzahl von internationalen Institutionen die hier angesiedelt ist. EU und NATO haben hier umfangreiche Installationen, jede mit zehntausenden Mitarbeitern aus allen Mitgliedstaaten. Für richtiges Sightseeing fehlte leider die Zeit. Ich muss zwar grade noch zwei Stunden auf dem Flughafen vergammeln, aber die noch in der Stadt zu verbringen traue ich mich angesichts des monströsen Staus zum Abend hin nicht, die Gefahr den Flug zu verpassen ist zu hoch.

Das Hotel “President Nord” Brüssel hat es spielend in meine Top 10 schlimmer Hotels geschafft. Die Matratze wurde vermutlich das letzte Mal Ende der 60er gewechselt, als auch das Hotel zuletzt renoviert wurde. Die Zudecke eine widerliche Jugendherbergs-Angelegenheit aus Laken unter fragwürdiger Wollsurrogatextrakt-Zudecke, die Kissen steinhart und staubig. Das Bad eine Meisterleistung des French Engineering. Wie man es fertigbringen kann, den fest montierten Duschkopf so anzubauen, daß das Wasser grundsätzlich innen am Duschvorhang runterfliesst, werde ich wohl nie verstehn. Immerhin gibt es dann beim aus der Wanne steigen ein erfrischendes Fussbad, weil die Heldenkonstrukteure einen Abfluss im gefliessten Badboden auch nicht für nötig hielten…

Die absolute Krönung des Zimmers sind die Fenster. Es handelt sich um Einfachscheiben, die aus unklarem Grund in Alurahmen verbaut sind, wie sie sich sonst bei Isolierglas finden. Damit man diesen tollen Einfall auch richtig würdigen kann, befindet sich das Hotel an einer Kreuzung zwischen einer vielbefahrenen Hauptstrasse und einer Gasse, durch die sich des nächstens die Zuliefer-LKWs der umliegenden Sexshops und Supermärkte wühlen. Das Frühstück hat dann erwartungsgemäß auch nichts mehr rausgerissen; das beste was sich darüber sagen lässt ist, daß das Teewasser fast heiss war…

Das TXL vs. SXF Problem

Berlin hat ein chronisches Problem mit seinen Flughäfen. Das liegt vor allem daran das die Stadt eine der letzten in Europa ist die sich den Luxus von zentral gelegenen, schnell zu erreichenden und zügig zu benutzenden Airports gönnt. Wie mit vielen tollen Sachen ist damit demnächst auch Schluss, den Anfang vom Ende des Luftfahrtluxus macht Tempelhof, später gefolgt von Tegel. Tempelhof ist mir vergleichsweise egal, ich bin nur selten von dort geflogen und so verbinde ich damit nur abstrakte Ansichten darüber das es eigentlich Schade ist so ein traditionsbeladenes Stück stillzulegen.

Tegel hingegen verursacht einen tiefen Zwiespalt. Prinzipiell bin ich sehr für eine schnelle Schliessung, ich wohne schliesslich in Pankow in der Einflugschneise und manchmal lärmt es schon recht lästig. Heute ist jedoch wieder einer der Tage an denen ich weiss das ich Tegel vermissen werde. Morgens um 7, schon seit zwei Stunden wach, in der abgeschrabbelten Mövenpick-Simulation unter Arbeitsamts-Style abgehängten Decken auf dem Dorfflughafen Berlin-Schönefeld. Schweren Koffer die Treppen hochgezerrt, auf einer gelb markierten Fläche dumm rumgestanden bis ein sichtlich unmotivierter Flughafen-Kuli meim Sperrgepäck einsammeln kam und Ewigkeiten nach einem Geldautomaten gesucht. 40 Minuten Sicherheitspuffer eingeplant die ich jetzt hier absitze, 34 Euro im Taxi gelassen weil ich genau keine Lust hatte meine 30 Kilo Gepäck kilometerweit durch die Kälte zum Bahnhof zu wuchten. Die absolute Krönung für ÖPNV-Benutzer in Schönefeld ist eine hirnrissige Ãœberdachung des Weges vom Bahnhof zum Flughafengebäude. Es wurde nicht etwa wie in zivilisierten Ländern ein geschlossener Gang errichtet der vor den hiesigen sibirischen Winterwinden schützt. Das würde ja nur zu unzulässiger Verweichlichung und Entfremdung von der Natur führen! Also wurde einfach ein Dach mit einer (!) Wand errichtet, auf einer Strecke von einigen hundert Metern. Vieleicht wäre es ja volkswirtschaftlich sinnvoller gewesen einfach 1-Euro-Job Regenschirmträger einzusetzen…
Stattdessen also 45 Minuten (“Heute flutscht es ja ganz gut, was?” sagte der Taxifahrer) durch Gegenden von Berlin gefahren die ich nie um diese Tageszeit sehen wollte. Beim Aussteigen war (nahezu erwartungsgemäß) keine Gepäckkarre auffindbar, die Rolltreppe ging auch nicht, happy schlepping also. Das sind so die Tage an denen ich zu schätzen weiss was wir an Tegel haben. Aus dem Taxi springen (das maximal 15 Minuten braucht), 30 Meter laufen, einchecken, fertig. Das geht nur in Tegel.

Untergrund-Tour

Neulich hatte ich durch Zufall Gelegenheit die Katakomben unter dem Pfefferberg in Berlin zu besichtigen. Auf dem Pfefferberg war ehemals die Brauerei Pfeffer, bis diese 1921 von Schultheiss aufgekauft und zur Kapazitätseliminierung geschlossen wurde. So eine Brauerei brauchte damals endlos gut kühlbare Lagerfläche. Zu diesem Zwecke wurden dann in mehreren Bauabschnitten die Keller gegraben. Es gibt eine interessante Konzentration von alten Brauereien im Prenzlauer Berg, die alle über beeindruckende Kellergeschosse verfügen die heutzutage leider meist der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Dies ist einfach daraus zu erklären das der Prenzlauer Berg die einzige Erhebung über die Niederungen des Berliner Urstromtals weit und breit ist, in der man tiefe Keller graben kann ohne gleich Grundwasserprobleme zu bekommen. Die Wasserspuren in den Pfefferberg-Kellern die wir gesehen haben (es gibt angeblich noch eine Etage die vollgelaufen ist weiter unten) sind demzufolge auch alle auf Regen-Einlauf von oben zurückzufühhren.

Die Bildqualität ist eher “künstlerisch wertvoll” als gut, ich hatte leider nur ein Telefon zum knipsen mit.

Zu DDR-Zeiten wurden die Kelleranlagen als Lager für Bohnerwachs, Schiesstand für die Volkspolizei und Kramlager für das Neue Deutschland benutzt, das in frühen Ostzeiten auf dem Gelände des Pfefferwerks seinen Sitz incl. Druckerei hatte.

Eine kleine Tropfsteinhöhle

In zahlreichen Gängen wie diesem gehen nochmal riesige Lagerschächte zur Seite ab.

Detail der nicht mehr ganz taufrischen Elektronistallation

Eisrutsche die später als Kohlenrutsche verwendet wurde. Das Alien dessen Schatten rechts zu sehen ist war ganz nett, fühlte sich aber etwas in seiner Ruhe gestört.

AirBerlin –> Blacklist

Bis auf weiteres werde ich nicht mehr AirBerlin fliegen. Eine so geballte Konzentration von Inkompetenz und Ignoranz habe ich bisher nur bei KLM erlebt (und die sind schon auf der Blacklist).
Wie man zwei Stunden damit zubringen kann, auf einem nicht ganz kleinen Flughafen wie Stanstead einen Ersatz für einen kaputten Pushback-Traktor (das Teil mit dem das Flugzeug aus der Parkposition rausgeschoben und rangiert wird) zu finden, kann ich einfach nicht nachvollziehen. Und in den zwei Stunden haben sie es nichtmal geschafft, was zu trinken zu verteilen (Zitat: “Wir haben nur genug Getränke für einen Service-Durchgang an Bord…”). Am Ende haben sie so lange rumverpeilt bis Tegel wg. Nachtflugverbot zu war und der Flug auf dem Dorfflughafen Schönefeld landen musste. Auf einer Aussenposition in strömendem Regen. Es blieb mir nichts anderes übrig als auf das obligatorische “Auf Wiedersehen!” mit “Sobald nicht!” zu antworten.