Author Archives: frank

Alternativlos No. 3 online

Als Abschluss einer für mich sehr Podcast-haltigen Woche gibt es nun die dritte Folge von Alternativlos , dem Boulevardpodcast von Fefe und mir, dieses mal mit den Themen Netzneutralität, die Contentmafia, die Festung Europa, Bilderberg und andere Eliten, Kinderpornographie, die Pharmamafia, Streetview, Stargardobyl, wie man mit U-Booten kommuniziert, S-300-Raketen in Abchasien und die Verbindung zu Israel und dem Iran, und den Irak-Abzug der US-Armee.

Ansonsten haben Martin Schramm und ich noch im Chaosradio Express zum Thema DDR geplaudert und das Küchenradio war uns in der Raumfahrtagentur besuchen.

Little moustrap & pingpong ball dance

Little dance for mousetraps and pingpong balls

Take plenty of mousetraps, plenty of pingpong balls and a camera that can shoot 240 frames per second in movie mode. My friend H. wanted to demonstrate the mechanism of chain reactions to his class, so he had plenty of mousetraps and pingpong balls around. I happend to drop by with the camera by chance, so we improvised a little experimental setup. Interestingly several modern cams (at least from Casio and Fuji) now have impressive slow-motion modes.

Streetview-Löschungen: löschen oder recyceln?

Irgendwie hat Google gerade nicht so direkt die Glückssträhne. Beim durchschauen der Privacy-Hinweise für Streetview fiel mir neben dem hübsch gemachten “so geht das”-Video direkt die Symbolik neben der Erklärung zum Widerspruch auf:

Werden die gelöschten Bilder als besonders wertvolles Datenfutter gespeichert, oder wie soll man das interpretieren… ;-)

Ansonsten bin ich natürlich gespannt, wie Google den Lösch- bzw. Pixelungsprozess gestaltet, wie gut die automatischen Algorithmen in der deutschen Praxis funktionieren und wie sich die Debatte weiterentwickelt. Ich selbst bin da hin- und hergerissen zwischen absehbarer Entwicklung zum Problemfall, falls Frequenz und Umfang der Erfassung ansteigen, und offensichtlicher Nützlichkeit. Wahrscheinlich brauchen wir wirklich andere Regeln für Firmen als für Individuen , um das Problem ohne Einschränkung individueller Freiheiten grundlegend anzugehen.

Stargardobyl – The Aftermath

Wie bereits vermeldet wurde die Stargardobyler Strahlenquelle heute geborgen. Nun geht natürlich das Rätselraten los, wie sie in die Stargarder Strasse gekommen ist. Wie immer hilft es, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen. So sieht also das Loch aus, aus dem die Caesium-137-Kapsel geborgen wurde:

Mehrere Details sind auffällig. Zum einen die offensichtlich sehr geringe Tiefe des Bergungsloches. Es ist kaum 10 Zentimeter tief und kratzt gerade so an der Kiesschicht unter der Asphalt-Decke, falls überhaupt. Das jemand so ein stark strahlendes Röhrchen unten am Rohr vergisst. wo es für Messungen gebraucht wird kann ich mir ja noch vorstellen, aber wie kommt es in den Asphalt? Der wird in der Regel ziemlich lange nachdem das Rohr verlegt, gemessen, abgenommen und versiegelt wurde auf die Strasse gekippt. Weiter fällt auf, daß die Bergungsstelle genau auf einer Naht aus weichem Teer liegt. Die Position des Loches und die Reste lassen vermuten, daß die Strahlenquelle genau in diesem weichen Teer gesteckt hat. Das eröffnet natürlich weitaus mehr Möglichkeiten des Hergangs, inklusive der Variante das es lange nach dem Strassenbau dort hinfiel und dann bei der Hitze in den Teer eingesunken ist bzw. eingefahren wurde. Ich bin wirklich sehr gespannt auf die Ermittlungsergebnisse…

Beeindruckend finde ich die Präzision, mit der sie das Röhrchen extrahiert haben. Ich hätte eigentlich einen deutlich grösseren Krater erwartet, aber offenbar wurde hier erstmal sehr genau eingemessen und dann verblüffend nahe an der Strahlenquelle gehämmert. Respekt.

Zu Schluß habe ich natürlich nochmal verifziert, daß keine Strahlung mehr vorhanden ist.

0.02 µSv/h zeigt der Geigerzähler an, weniger als man sonst so an normaler Hintergrundstrahlung in Berlin hat. Die Kapsel ist also offenbar dicht geblieben.

Update: Die Berliner Umschau hat ein paar Bilder vom Zauber, der für die Bergung veranstaltet wurde.

Erste Bilder vom Bleisarkophag aus Stargardobyl

Die Lage an der Quelle erhöhter Radioaktivität in der Stargarder Strasse im Prenzlauer Berg – mittlerweile liebevoll Stargardobyl getauft – ist offenbar vorerst unter Kontrolle. Vor Ort befinden sich hinreichend viele Medienvertreter, um im Falle eines plötzlichen Strahlenausbruchs die Umgebung durch ihre schiere Körpermasse vor Verseuchung zu bewahren.

Ebenfalls anwesend ist ein Strahlenexperte, einfach zu erkennen an seinem voluminösen Geigerzähler mit kameratauglich großem Display, der mit Engelsgeduld die immer gleichen Fragen der Reporter beantwortet. Letztere haben sich offenbar schon auf längeres Campen vor Ort eingerichtet, in der dritten Reihe tauschten Fotografen und Kameramänner Tips über zugängliche Toiletten und Koffeinquellen aus.

Die Abdeckung der Strahlenquelle ist, wie bereits vom Leser “observer” in den Kommentaren berichtet, durch eine lustige Ansammlung von Bleibausteinen realisiert worden. Darüber parkt ein Auto. Die ganze Installation wirkt authentisch Berlin-Style sehr solide improvisiert, auch der Strahlenexperte hatte daran nichts auszusetzen.

Die Reporter hoffen natürlich auf schlagzeilentaugliche Bilder von Schutzanzügen, Containment-Zelten und Dekontaminierungsduschen, bisher ist davon aber noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich müssen die zuständigen Behörden und Firmen auch erstmal eine möglichst photogene Choreographie abstimmen, schliesslich gibt es nicht alle Tage Gelegenheit, das ganze schöne Equipment auch mal zu nutzen.
Wild sprudelnde Gerüchte, es könnte sich bei der Stargardobyler Strahlenquelle um eine insgeheim deponierte Mini-Nuke der Anti-Schwäbischen Yuppie-Vertreibungsfront, radioaktives Nazigold oder eine vergessene sowjetische Atommine handeln kann ich natürlich nicht weiter kommentieren.

Update: Ich lag mit meiner Vermutung richtig, es handelte sich um eine Caesium-137-Quelle, die zur Prüfung von Rohrschweissnähten verwendet wird. Sie ist nun geborgen worden.

Erhöhte Radioaktivität im Latte-macchiato-Paradies

Nichts erhellt einen Sonntagnachmittag so sehr, wie ein satter Ausschlag des Bizarrometers. Heute gab es diese wirklich sehenswerte Meldung:

Zufällig fuhr ich gerade die Stargarder Strasse entlang. Die Strasse ist zwischen Pappelallee und Lychener Strasse komplett durch Polizisten und Flatterband abgesperrt, Fussgänger können aber noch durch. Die verdächtige Stelle sieht in der Realität so aus:

Daneben ist das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) im Einsatz, mit ein paar Experten mit Meßgeräten, aber in normalem Strassenzivil.

Ein einsamer Wachschützer baut eine solide Absperrung auf, während die Experten und die Presse in etwas Abstand herumstehen und schwatzen. Von einer Abdeckung mit Stahlplatten war bisher nichts zu sehen, lediglich zwei konzentrische Ringe verschiedenfarbiger Farbmarkierungen sind zu betrachten.

Ich hab dann noch ein wenig mit einem Mitarbeiter des Landesamtes geschwatzt, der mir erzählte, daß der Meßtrupp auf einer Übungsfahrt war und wohl erst an einen Meßfehler glaubte. Wer erwartet schon erhöhte Radioaktivität mitten im Latte-macchiato-Paradies. Zur Ursache mochte er noch nichts sagen, aber stimmt mir zu, daß angesichts der Lage genau über einem wahrscheinlichen Rohrschacht (gut sichtbar anhand der Asphaltnaht und der Einstiegsklappen) eine Isotopenquelle, wie sie zum Prüfen von Schweißnähten verwendet wird durchaus denkbar wäre.

Zur Stärke der Radioaktivität meinte besagter Landesamt-Mitarbeiter: “Wenn Sie sich eine Stunde da drauf setzen bekommen sie etwa so viel ab, wie ein Arbeiter pro Jahr an seinem Arbeitsplatz abbekommen darf”. Wir reden also offenbar nicht von unmittelbaren Haarausfall.

Interessant waren die entgleisenden Gesichter der Anwohner und Passanten, wenn sie erfuhren, warum die Strasse gesperrt ist. Die Polizisten hatten offensichtlich Spass daran, eine kleine Kunstpause zwischen “Da wurde erhöhte Radioaktivität gemessen…” und “… es besteht aber keine Gefahr, ausser wenn sie sich da drauflegen…” zu lassen. Der Landesamt-Mitarbeiter erklärte mir noch, daß sie die Quelle in den nächsten Tagen mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen bergen werden. Wir dürfen also gespannt sein.

Update: Ein kundiger Leser ist mal nachmessen gegangen: in den Kommentaren

Krieg nach Zahlen

In der Frankfurter Allgemeinen von gestern (Samstag) ist ein längerer Beitrag von mir mit dem Titel “Krieg nach Zahlen” (und einem schönen Foto aus War Games) erschienen. Entstanden ist er in Rekordgeschwindigkeit, nachdem mir bei der Suche nach Interessantem in den jüngst veröffentlichten Wikileaks-Dokumenten zu Afghanistan eine Abkürzung aufgefallen war – “J3 ORSA”. ORSA steht für “Operations Research Systems Analysis”, J3 für die Abteilung Operations beim Generalstab der US-Streitkräfte.

Ich hatte schon vor einer geraumen Weile einiges über militärisches Operations Research zusammengetragen, aus Online-Fachmagazinen und -büchern, autobiographischen Werken von Militärs und vor allem Berichten über die Rolle der Wissenschaft im Zweiten Weltkrieg und im Vietnamkrieg. Es war aber immer alles ein wenig zu abstrakt und historisch, ohne rechten Bezug zur heutigen Zeit, nicht gut zusammenzuschreiben. Also blieb das Material liegen. Beim Durchsehen der Wikileaks-Berichte formte sich dann plötzlich ein plastisches Bild wie ORSA heute aussieht. Extrem viele der Wikileaks-Afghanistan-Meldungen haben einen ORSA-Bezug, die Neugier war wieder entfacht. In Kombination mit einem geleakten Powerpoint-Chart des Ex-Kommandierenden in Afghanistan, McCrystal, ergab sich ein ziemlich erschreckendes Bild von der Art und Weise, wie Kriege heute geführt und geplant werden. Das Chart ist offenbar der Output einer Dynamic-System-Modellierung, die versucht, alle wesentlichen Parameter für eine erfolgreiche Counter-Insurgency-Strategie für Afghanistan abzubilden. Selbst die Stimmungslage in der eignen Bevölkerung zum Krieg ist nur ein Parameterfeld, daß beeinflußt werden muss, um das gesteckte Endsiegziel zu erreichen. Die Parallelen und Verbindungen zu den Methoden der Geschäftswelt, wo die gleichen Optimierungsideologien angewendet werden, um Profit zu maximieren und Rationalisierungseffekte zu realisieren, sind erschreckend.

Der Artikel ist gerade noch hinter der Paywall, hoffe er kommt da bald hinter vor, dann update ich den Link. nun auch Online frei zu lesen.

Die Piraten und der “Datenschutz”

An der Piratenpartei interessiert mich ja primär der einzige wirklich revolutionäre Ansatz für eine andere Politikmechanik, das Liquid- Democracy (bzw. Liquid Feedback)-System. Ich habe schon seit langem gesagt, daß ohne Liquid Democracy die Piraten nur eine langweilige Nischenpartei bleiben werden, die irgendwann wieder in der zersplitterten Versenkung verschwindet. Nun tobte in der Partei in den letzten Wochen der Kampf um die Modalitäten und Regeln, der gerade in einem Vorstandsbeschluß kulminierte, das Liquid-System erstmal nicht wie geplant ab heute anzuschalten sondern “die Zeit [zu] nehmen, die wir für einen perfekten Datenschutz benötigen.”

Ich muss das hier nach Gesprächen mit Partei-Insidern mal ein wenig erläutern: Im Kern geht es darum, ob jemand, der sich um ein politisches Amt in der Partei bewirbt, per parteiinterner sozialer Konvention dazu bewegt wird, seine Anonymität bezüglich vergangener innerparteilicher Meinungsäusserungen und Sachabstimmungen aufzugeben und so dem Partei-Wahlvolk einen Einblick in seine tatsächlichen Haltungen und Meinungen gewährt. Endlich eine effektive Methode, die vor “was schert mich mein Geschwätz von gestern…”-Politikergestalten schützen kann.

Wohlgemerkt, es geht nicht um Offenlegen der Abstimmungen über Kandidaten – die finden weiter geheim und per Urnenwahl statt – nur um Sachdebatten- und abstimmungen. Also Dinge, bei denen auch in traditionellen Parteien keine Anonymität oder Geheimabstimmung üblich ist. Weiter geht es um die Offenlegung wer seine Stimme im Liquid an wen delegiert hat. Letzteres macht innerparteiliche Seilschaften und Beziehungen transparent, ein großartiges Feature. Nun ist derart radikale Transparenz nicht jedermans Sache, es mauschelt sich ja dann nicht mehr so gut. Zudem gibt es offenbar Landesverbände, die lieber das traditionell vergammelte Wahldelegiertenmodell mit Bundeslandproporz und ähnlichem bevorzugen – ein sicherer Weg in die parteilpolitische Irrelevanz.

Da man natürlich nicht so direkt sagen kann, daß man radikale Transparenz in der Politik doof findet, kamen die Liquid-Gegner mit einer schönen Killerphrase: der Datenschutz muß gesichert werden! Böse formuliert: das Recht, anonym zu trollen soll gewahrt bleiben, weil niemand sehen können soll, wie sein zukünftiger Vorsitzender abgestimmt und debattiert hat. Das tatsächliche Datenschutz-Konzept incl. Erklärung ist, wie mir Partei-Insider berichten, ziemlich vorbildlich und gründlich von Profis erarbeitet worden. Die technische Sicherheit ist ausführlich geaudited worden. Es geht also hier nicht um “Datenschutz”, sondern ums Prinzip, um die Furcht vor Transparenz.

Die Diskussionen in der Partei in den nächsten Monaten dürften mit die spannendsten in der neueren deutschen Parteiengeschichte werden. Auch wenn die Details ziemlich obskur klingen: falls die Piraten daran scheitern diese innerparteiliche dynamische, transparente Entscheidungsfindung zu etablieren, ist eine der wesentlichen Chancen auf eine grundlegende Renovierung des politischen Systems in Deutschland vergeben worden. Der Vorbildcharakter für andere Parteien ist enorm. Falls es schiefgeht werden die Betonköpfe in den Altparteien sich wieder beruhigt zurücklehnen und zu business as usual zurückkehren. Wenn die Piraten es aber schaffen, daß z.B. die Einzelpunkte des nächsten Berliner Senats-Koalitionsvertrages quasi direkt über das Liquid-System mit der Parteibasis erarbeitet und verhandelt werden, gibt es eine solide Möglichkeit der radikalen Änderung der Usancen des Politikbetriebes.

Ich kann mich da also nur wiederholen: Liebe Piraten, bitte vermasselt das mal nicht. Alle Eure anderen Positionen und Punkte sind demgegenüber nicht von Gewicht.

PS: Die verschiedenen Aspekte der Debatte hatte ich neulich mal mit Maha in einem Klabautercast ausführlich debattiert und beleuchtet. Unter anderem, warum Liquid und Wahlcomputer wenig miteinander zu tun haben und was es für einfache Methoden gibt, Transparenz und das Recht auf eine geänderte Meinung unter einen Hut zu bringen.