Bedingt duch verschiedene äussere Umstände habe ich vor ein paar Wochen einen gebrauchten kleinen PC-Notebook billigst erworben. Ich brauchte einen kleinen leichten Reisecomputer der keinerlei kritische Daten enthält. Vor die Frage “welches Betriebssystem soll da drauf” gestellt, meinten alle nicht-MacUser “nimm Ubuntu”. Cory Doctorow (bisher ein hardcore-Mac-User) proklamierte auch jüngst das er mit Ubuntu bestimmt total glücklich wird. Nunja. Also Ubuntu.
Die Anforderungen: Web browsen, Mail lesen, die gängigen chat-Protokolle sprechen, Filme und Musik abspielen und was man sonst noch so braucht. Nichts besonders schwieriges also. Und: ich hatte keine Lust mich in alle Tiefen des Systems hinabzubegeben. GUI rulez.
Die Installation gestaltete sich auf den ersten Blick stressfrei, bis ich die WLAN-Karte reinschob. Solider Bus Error, Maschine eingefroren. Netzwerk-Konfiguration im allgemeinen und WLAN im besonderen sollten sich auch im Laufe der weiteren Geschichte als ein einziges Elend herausstellen. Aber weiter der Reihe nach.
Nachdem ich einen der örtlichen Linux-Kundigen einen halben Abend lang belästigt hatte, stellte sich am Ende eine olle Orinoco-Karte als einzig funktionsfähiges Modell heraus. Nunja, die lag halt noch herum und schien hinreichend abgehangen genug, um unterstützt zu werden.
Was mich etwas erstaunte: Schlafen legen und Hibernieren ging einfach so, Sound auch (ausser nach dem Aufwachen natürlich). Drucken ging nicht auf Anhieb, aber das war ja irgendwie klar und war nach nur kurzem Fummeln behoben. Aufwachen aus dem suspend-to-disk geht in so etwa 10% der Fälle nicht. Sleep verbraucht unklare Mengen Strom, es ist eigentlich nur eine Option wenn man mal schnell zwischendurch den Rechner zumachen will. Powerbook-artiges “einfach zuklappen und am nächsten Tag wieder auf” kann man total vergessen. Schnell mal eben den Rechner aufwecken – Fehlanzeige. Ein wirklicher Grund doch lieber einen Mac-Notebook zu nehmen.
Das Benutzerinterface ist, drücken wir es diplomatisch aus, ein netter Versuch. Es ist so etwa benutzbar, aber auch eben gerade so. Man findet alles wesentliche, aber oft nur nach einigem Suchen. Logische Konsistenz, Vollständigkeit und ähnliche Kleinigkeiten sind offenbar immer noch nicht die Stärke von Linux-Designern. Schade.
Die Geschwindigkeit ist ganz brauchbar. Ausser wenn die Applikationen so mal eben einfrieren. Und auch mal das ganze System mitnehmen. Oder irgendwie spurlos nicht mehr da sind und dann beim Neustart erratisch reagieren. Insofern hatte Doctorow recht: es ist wie Mac OS Classic.
Was wirklich absolut lausig ist: ein neues WLAN konfigurieren. Der Designer der Netzwerk-Dialoge war sichtlich minder talentiert (und das ist echt milde ausgedrückt). Das Anzeigen der verfügbaren Netze tut meistens garnicht, alles ist auf diverse Tabs in mehreren Fenstern verteilt und am Ende rödelt das Kontrollfeld minutenlang (keine Übertreibung) herum um dann oft genug doch nicht mit dem Netz klarzukommen und unbrauchbarer Fehler zu melden. Was bitte ist daran so schwer eine Netzwerkkonfiguration korrekt umzusetzen? Ich habe mich am Ende damit beholfen mit dem Telefon nachzusehn ob ein brauchbares WLAN da ist und das dann per Hand zu konfigurieren, ein paar mal die Karte rein und raus zu ziehen und ähnliches, bis es dann manchmal ging.
Wo wir gerade beim Telefon sind: Bluetooth ist total zum Heulen. Es gibt kein brauchbares Konfigurations-GUI. Zweistündiges Wühlen in schlecht gebauten shell-basierten Tools brachte keinerlei Erfolg zustande. Ein Elend.
Die Sicherheitsupdates erzwingen ein etwa wöchentliches booten. Insofern kein Unterschied zu OS X, mitlerweile scheint das wohl der Normalzustand zu sein, egal auf welchem Betriebssystem.
Ein echter Ubuntu-Tiefpunkt: der Totem-Movieplayer, der sich defaultmässig als Abspielprogramm für so etwa alle Mediafiles ins System bohrt. Spannenderweise habe ich genau kein (!) Mediafile gefunden das sich mit dem Totem-Player abspielen liess. Es gibt natürlich MPlayer, der so ungefähr alles in allen Formaten abspielt. Man kann ihn problemlos über den Paketmanager installieren. Das System und insbesondere Firefox davon zu überzeugen MPlayer als Default-Player für alle Mediaformate zu nehmen ist mir aber bisher nicht gelungen. Kundige murmelten was von “Howto” und “dauert nur ne Stunde Gefummel”. Vielleicht hat ja wer einen brauchbaren Hinweis der schneller geht.
Fazit: Ubuntu ist nicht mehr so akut schmerzhaft wie frühere Linux-Desktop-Versuche. Für Minimalanforderungen auf einem Rechner der seine Netzwerkkonfiguration nur selten ändert erscheint es ansatzweise brauchbar. Aber als Ersatz für einen Mac? Ich bitte Euch. Sobald man auch nur etwas mehr Funktionalität benötigt, wird es hochgradig hakelig. Das GUI ist potthässlich und inkonsistent. Das Fahrgefühl was Stabilität betrifft ist deutlich schlechter als OS X. Das mir eine Applikation das System freezt oder auch mal einfach so verpufft ist mir schon länger nicht passiert, bevor ich Ubuntu testete (soweit zur angeblich überragenden Stabilität von Linux). Es ist ein Fortschritt zu verzeichnen, aber bis auch nur annähernd die Funktionaliät und der Komfort von OS X erreicht sind gehen noch ein paar Dekaden ins Land.
PS: Irgendwer sagte das Cory Doctorow sein Ubuntu-Experiment auch nicht durchgehalten hat? Gibts ne Quelle dazu?