Auf dem 23C3 (wer nicht da war hat was verpasst) haben Ron und ich als Konzept die Vollüberwachung von potentiellen ProblemPolitikern vorgestellt. Da mich verschiedene Leute danach gefragt haben, hier nun noch mal ein paar strukturierte Gedankenspiele dazu.
Grundsätzlich können wir von drei Prämissen ausgehen.
1. Politiker sind Personen des öffentlichen Lebens, d.h. sie haben ohnehin eine eingeschränkte Privatsphärenerwartung. Die meisten gehören zur “Aber ich habe doch nichts zu verbergen!”-Fraktion.
2. Politiker sind mehrheitlich der Meinung das mehr Überwachung weniger Kriminalität bringt.
3. Politiker weisen eine auffällige Neigung zu schweren Straftaten auf.
Prämisse 3 bedarf vielleicht noch einer kleinen Erläuterung. Ein kurzer Blick in die jüngere Geschichte des politischen Personals ergibt eine endlose Folge von strafwürdigen Skandalen, die teilweise erhebliche negative Auswirkungen hatten. Der Berliner Bankenskandal, der Elf/Leuna-Komplex, die diversen Spendenaffären sind nur die Spitze des Eisberges. Es ergibt sich das Bild einer eng vernetzten Gruppe, die eine erhebliche Neigung zu schweren Delikten aufweist. Unterschlagung, Betrug, Meineid, Bestechlichkeit, illegale Überwachung von Konkurrenten und verwandte Delikte bilden den Schwerpunkt des kriminellen Handelns.
Bei den in im Vergleich zum Dunkelfeld wenigen öffentlichen Ermittlungen gibt es praktisch immer die Standard-Ausrede: “Ich kann mich nicht erinnern.”. Eine “normale” kriminelle Gruppierung mit einem derartigen Profil wäre längst Gegenstand intensiver polizeilicher Ermittlungen. Dieser Zustand ist angesichts der teilweise erheblichen Bedeutung und langfristigen Folgeschäden der Straftaten nicht länger hinnehmbar.
Die logische Konsequenz ist eine rund-um-die-Uhr Vollüberwachung. Politiker sollen Vorbild für den Bürger sein. Wenn sie dann also meinen, der Bürger habe de facto kein Recht auf private digitale Lebensgestaltung (siehe Vorratsdatenspeicherung), steht es dem Bürger wohl eindeutig zu, den Spiess umzudrehen. Es ist eindeutig im öffentlichen Interesse, volltransparente Politiker zu haben.
Am besten wäre es natürlich, wenn die Politiker zu ihrem “Ich habe nichts zu verbergen.”-Credo offen und ehrlich stehen würden und der interessieren Öffentlichkeit Zugriff auf ihre Daten geben. Bis es soweit ist, müssten besorgte Bürger vielleicht hier und da ein bisschen nachhelfen. Folgende Dinge sind uns so spontan eingefallen.
Auffenthaltsprofile und Bilder: Was beim Verfolgen drittklassigen Promis durch ihre Fans schon lange klappt, sollte auch für Politiker kein Problem sein. Digitalkameras und Mobiltelefone machen eine zeitnahe Dokumentation von Aufenthaltsorten und Kontaktpersonen problemlos möglich. Was fehlt ist noch ein bisschen mobiltaugliches Web 2.0 zum publizieren und ein etwas Scripting für die Auswertung. Im Rahmen einer “freiwilligen Selbstverpflichtung” könnten Politiker natürlich noch ihre GSM-Lokationsdaten mit dazutun.
Kommunikationsprofile: Einzelverbindungsnachweise bzw. Auszüge aus der Vorratsdatenspeicherung wären natürlich das Optimum. Vermutlich etwas schwierig umzusetzen, aber vielleicht hat ja jemand eine kreative Idee wie man das substituieren kann. Toll wäre eine “freiwillige Selbstverpflichtung”.
Zahlungsverkehr: Das gläserne Konto ist für den Normalbürger mittlerweile traurige Realität. Für Politiker sollte das gleiche gelten. Monatliche Publikation aller Kontoauszüge ist das mindeste, am besten per “freiwilliger Selbstverpflichtung”.
Biometrische Daten: Hier ist mit ein bisschen Kreativität viel zu bewegen. Fingerabdrücke hinterlassen selbst quasi-heilige Politprofis auf Gläsern, Türen, Autos usw. Mir schwebt da so etwas vor wie ein Sammelalbum. Man kann dann die besten Exemplare tauschen. “Hey, ich hab hier nen super Staatssekretär, bekomm ich da deinen Parteivorsitzenden für?”. Für besonders fiese Ãœberwachungspolitiker gibt es natürlich bessere Kurse. Das verspricht Spass und gute Laune für die ganze Familie.
Einkaufsprofile: Natürlich wollen wir alle wissen was ein ProblemPolitiker so einkauft. Man lernt so viel über Vorlieben, Neigungen und die wahre Persönlichkeit…
Gläserner Computer: Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren was ein Politiker so auf seinem Computer tut. Jemand der noch nie wenigstens einen aseptischen Aliens-abwehren-3D-Shooter gespielt hat, kann wohl kaum als befähigt gelten, Sprüche zu “Killerspielen” abzusondern.
Man könnte über eine lockere Kooperation mit den Papparazi-Profis nachdenken, die haben jahrzehntelange Erfahrung.
Ziel des Spiels wäre es, den Überwachungswahn für die Verantwortlichen persönlich erfahrbar zu machen. Um hässlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, wäre es erforderlich einen vertretbaren Zieldatenkatalog zu spezifizieren. Privatanschriften oder Daten von Verwandten publizieren etwa wären m.E. tabu, das gibt nur zu viele Probleme mit all den Spinnern da draussen. Natürlich steht zu befürchten, daß einmal erfasste Daten auch mal zweckentfremdet genutzt werden. So wie z.B. die Daten aus Vorratsdatenspeicherung und Biometrie in Personalausweisen auch quasi kommerziell verwendet werden sollen. So ist das Leben in der digitalen Zukunft nunmal.
Es stünde den Politikern natürlich frei umzudenken und die Überwachungsschraube zurückzudrehen. Im Gegenzug gibt es dann auch wieder mehr Privatsphäre für alle.
So, nun interessiert mich Eure Meinung. Ist das zu krass gedacht? Hat jemand eine bessere Idee wie wir von diesem Terror-Wahn-Gefürchte runterkommen und unsere bürgerlichen Freiheiten wiedererlangen können?
Updated: In den USA gab es eine Kampagne bei der Admiral Pointdexter einmal digital entblösst wurde. Pointdexter war Chef des Total Information Awareness genannten Massive Datamining-Projekts. Total Information Awareness wurde danach abgesägt, bzw. wahrscheinlicher, umbenannt und strukturell anders aufgehängt. Im Zuge der Kampagne wurde Pointdexter ziemlich massiv belästigt, das meinte ich mit “die Spinner da draussen”. Mehr dazu hier .