Nach zwei Wochen Bootfahr-Urlaub bin ich nun wieder zurück in der Realität aka. Berlin. Das Wasserfahrzeug war ein etwas älterer Voyager 860 . Durch die mit 5 PS eher sparsame Motorisierung ist das Boot führerscheinfrei, was allerdings, wie sich schnell herausstellte, nicht heisst das Motorbootfahren einfach ist.
Als erstes fällt auf, das so ein Boot keine Bremsen hat. Einmal in eine Richtung beschleunigt, folgt es dem Bewegungsimpuls erstmal eine Weile weiter, egal ob vorwärts, rückwärts, seitwärts oder drehend. Wie ein Raumschiff in 2D sozusagen. Man kann um Kollisionen mit Stegen, Brücken, Schleusen und anderen Wasserfahrzeugen zu verhindern, die sich in der momentanen Bewegungsrichtung befinden, nur lenken und Gegenschub geben. Das Lenken gestaltet sich ganz ok, solange es ohne enge Kurven vorwärts geht. Bei engen Kurven stellt sich dann heraus, das das Heck rumschwenkt (und z.B. gegen die Kanalwand oder ein anderes Boot in der Schleuse zu scheppern droht) Die Reaktion auf die Lenkung ist eher träge, und zwar um so träger je langsamer man fährt. Was dummerweise bedeutet, das gerade beim ein- und ausparken, wo präzise schnelle Lenkung schon schick wäre, man nur die Alternative zwischen sehr vorrausschauendem Gleiten bei langsamster Fahrt
und hektischem Steurradkurbeln mit kurzen kräftigen Gasschüben hat (bzw. einer Kombination von beidem).
Da keine Anzeige gibt, die einem die momentane Ruderstellung mitteilt, kommt es immer wieder vor, daß man lenkt, ein bißchen gasgibt und dann vollkommen überrascht ist, wo das Boot nun hinfährt. Mit der Zeit stellt sich dann so langsam die Erfahrung ein, aber so an den ersten zwei Tage waren Engstellen und Schleusen schon ein bischen nervenaufreibend und blieben bis zum Schluß spannend. Am Ende löst man dann die meisten Probleme durch abstossen oder ranziehen mit Hand, Fuß, Leine oder Bootshaken. Das geht oft wesentlich besser als rumkurbeln mit dem Motor.
Die befahrenen Gewässer erstreckten sich so etwa zwischen Rheinsberg, Neustrelitz, Templin und Zehdenick auf der Havel und den umliegenden Seen. Ich war überrascht wie schön viele Ecken sind, besonders auf dem südlichen Ende Richtung Zehdenick. Der Fluß ist da teilweise wildromantisch mit urwaldigen Ufern, zieht sich dann wieder in engen Mäandern durch die Wiesen so das es schien als wenn die Boote vor und hinter uns übers Gras fahren. Im nördlichen Teil ist es auch sehr schön, teilweise ist das Wasser in den Seen so klar das man metertief auf den Grund schaun kann. Ich hatte nicht erwartet das es noch so toll unverbaute Natur so nahe bei Berlin gibt.
Ein sehr empfehlenswerter Ausflug am Rande war der Ziegeleipark Mildenberg . Dort haben sie einen kleinen Teil der Ziegelleien, die die Ziegel für den Aufbau Berlins geliefert haben,
zu einem Park mit Museum umgebaut, incl. extensiver Kinderbespassungseinrichtungen wie Fahraddraisinefahren, Großsspielplatz und Rumzuckeln mit der ehemaligen Werksbahn. Für den Technikinteressierten gibt es hochinteressante Industriereste wie Rundöfen fürs Ziegelbrennen, eine alte Werkstatt mit komplettem Satz Maschinen in Transmissionsriemenbetrieb etc. Da ein Großteil der moderneren Anlagen nach dem Krieg als Reparationsleistungen von den Russen demontiert wurde, mußte die Produktion mit der Technologie vom Ende des 19. Jahrhunderts wieder angefahren werden, die daher noch weitgehend in Schuß gehalten wurde und zum Teil erst 1990 stillgelegt wurde.
Insgesamt ein sehr entspannter Urlaub, was sicher auch am Wetter lag. Wenn es dauernd geregnet hätte wäre das ganze eher ziemlich lästig geworden.