Obwohl es erstmal nicht so aussah, verliert die Staatsmacht gerade den Kampf um die Bilder in Heiligendamm. Gefangene in Guantanamo-Style Käfigen ohne anwaltlichen Beistand, friedliche Hippies mit Wasserwerfern von der Strasse drücken, Journalisten blutig schlagen und mit Chemiewaffen besprühen, all das kommt nicht so wirklich gut an. Ein entscheidender Faktor für den Umschwung der öffentlichen Meinung ist die Allgegenwart von Digitalkameras bei den Demonstranten. Alles wird dutzendfach fotografiert, gefilmt und hochgeladen. Der Einsatz der üblichen Provokationsagenten in Zivil wird schwer, die Chance unerkannt zu bleiben ist gering. Das von der Polizei angekündigte “harte Durchgreifen” bei der Abschlußkundgebung ist wohl auch der Versuch, die verlorene Propagandaschlacht nochmal herumzureissen. “Gröhlende Terrorpunker jagen weinende Polizisten durch die Strassen!”, oder so ähnlich.
Die Strategie der Staatsmacht zum Niederkämpfen des zivilen Widerstands gegen ihre verfehlte Politik offenbart jenseits der taktischen Niederlagen jedoch eine strategische Koninuität die erwähnenswert ist. Die Sperrzone vor dem Zaun (die das Bundesverfassungsgericht krasserweise zwar für verfassungsrechtlich bedenklich befand, aber trotzdem wg. der Sicherheit durchgehen liess ) diente offensichtlich einem anderen Zweck als dem postulierten. Es ging nie darum, diese Sperrzone tatsächlich durchzusetzen. Worum es geht ist die Möglichkeit zur selektiven Kriminalisierung. Jeder, der sich in einer Gruppe in der Sperrzone auffhält, ist automatisch wegsperrbar. Es gibt keine Notwendigkeit, sich noch lange mit Details aufzuhalten, Beweise zu haben sammeln oder auch nur einen Anlaß zu haben. Jeder, der da ist, kann weggefangen und fortgeschafft werden. Dafür wurde offenbar auch die Propaganda-Niederlage in Kauf genommen, die alleine durch das Erreichen des Zauns durch Demonstranten entstand.
Die gleiche Strategie liegt der Mehrzahl der in der letzten Zeit durchgepeitschten “Sicherheits”maßnahmen zu Grunde. Die jüngste Verschärfung des Computerstrafrechts dient diesem Zweck, genau wie die “Antitterror”-Gesetze. Mit der systematischen Ausweitung der Anzahl strafbarer Handlungen wird es praktisch unmöglich, aktiv zu sein, ohne an irgendeiner Stelle mindestens hinrechend verdächtig zu werden, um den “Richtervorbehalt” zu erfüllen. Und dann greift das ganze Instrumentarium. Telefonüberwachung, GPS-Wanzen, Kennzeichenerfassung, Vorratsdatenspeicherung, Biometrische Vollerfassung, Observation, Geruchsproben, Speicherung in Terroristendateien, Schutzhaft.
Das Bundesverfassungsgericht hat den strategischen Kernaspekt der selektiven Kriminalisierung nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Dabei ist die gezielte Schaffung der “rechtlichen” Vorraussetzungen für staatliche Willkürhandlungen ein Grundmerkmal totalitärer Systeme. So viel zu unser letzten Hoffnung Bundesverfassungsgericht.
Mit der sinnlos brutalen Repression in Heiligendamm werden eine Menge Leute radikalisiert. Angesichts der offenkundigen Bereitschaft der Staatsmacht, Provokationsagenten einzusetzen, kann es wohl kaum lange dauern, bis sich die Geschichte wiederholt. Bleibt zu hoffen, daß die Fehler von damals nicht nochmal gemacht werden.
Guter Beitrag-lies mal was unsere Nachbarn schreiben:
Polizei gibt Einsatz vermummter Fahnder zu Sprecher der Sondereinheit Kavala: “Das ist ein neuer Sachstand. Was ich gestern gesagt habe, war gestern zutreffendâ€
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http://derstandard.at/
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Nachdem die Anwälte der G-8-Kritiker gedroht hatten, ein Foto, das den Beamten, der am Mittwoch Abend von mehreren Demonstranten erkannt worden war, ohne Vermummung zeigt, zu veröffentlichen, lenkte die Polizei nun ein: Der Zivilfahnder habe die Aufgabe gehabt, Informationen über geplante Taten und Gewalttäter zu liefern.
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Anwälte erstatten Anzeige gegen Richter wegen “Käfighaft” Empörung über Gefangenen-Sammelstellen – “Verstößt eklatant gegen die Menschenwürde”
Als größte Gefahr für die Demokratie sehe ich die Diskussionsunwilligkeit eines Volks, die sich in Meinungsdeliktsgesetzen ausdrückt. Stasi 2.0 dagegen verbessert nur die Exekutivmöglichkeiten des Staats und ist deshalb nicht der Kern der Demokratieferne in Deutschland. Deshalb behaupte ich ja auch, daß die entsprechenden Überwachungskritiker selbst nicht die größten Demokratieverfechter sind.Der Kampf gegen Stasi 2.0 ist für mich eher Ausdruck der Pflichtexekution von Demokratie im Rahmen der Reeducation. Ein wahrer Einsatz für Demokratie besteht für mich im Engagement für eine einzige Sache: Im Einsatz für die volle Meinungsfreiheit, so wie sie die US-Verfassung kennt.
Für die volle Meinungsfreiheit setzt sich heute keine Partei ein, nicht mal die NPD, weil das ja eher eine national-autoritäre denn eine liberal-nationale Partei ist. Nur leben die NPD-Jungs die Demokratie am ehesten in Deutschland, weil sie ungeachtet karrieretechnischer Folgen die vorhandene Meinungsfreiheit in vom Establishment unerwünschter Weise bis an den Rand des möglichen ausreizen.