Gerade komme ich von einer Veranstaltung der Gauck-Behörde zum Thema Telefonüberwachung in der DDR. . Es sprach u.a. eine Politikwissenschaftlerin namens Sigrid Philipps, die einen äusserst einschläfernden, weil vom Blatt abgelesenen “Impulsvortrag” halten sollte. Darin ging es (soweit mein säuselstimmensediertes Hirn sich erinnern kann), u.a. darum, das man doch die Ãœberwachung heute nicht mit der in der DDR vergleichen kann, weil heute kann sie ja darüber reden ohne dafür eingeknastet zu werden.
Ich muss sagen, das hat mal wieder alle meine Vorurteile über Politikwissenschaft bestätigt. Ich konnte dann nicht umhin, in der Diskussion später anzumerkten, daß es mitlerweile keinerlei Wirkung mehr zeigt, das man öffentlich über die ausufernde Ãœberwachung reden kann, weil die Exekutive halt einfach macht was sie für richtig hält, ohne sich von demokratietheoretischen Erwägungen stören zu lassen. Wir haben auch schlicht niemanden mehr, den man wählen könnte, der den politischen Willen besitzt die Bürger- und Freiheitsrechte wieder herzustellen. Von ihr kam dann als Replik noch der Vorwurf, man dürfe das nicht so pessimistisch sehen, weil dann würde man ja schon aufgeben, und ansonsten haben wir ja noch das Bundesverfassungsgericht. Yeah, right…
Oh man. Merken die eigentlich noch was in den Unis? Früher kam mal die politische Veränderung von da. Jetzt scheint der Glaube daran, das schon alles gut wird ™ die Realitätswahrnehmung zu überlagern, vermutlich sind ja sonst auch irgendwann die Zuschüsse von den Parteistiftungen für “Politikforschung” in Gefahr. Wahrscheinlich ist es auch zum Gutteil diese West-Sozialisierung, die suggeriert, das Demokratie plus Öffentlichkeit an sich schon ausreicht, um ein Abgleiten in eine Diktatur zu verhindern. Das es so etwas wie eine Demokratur der “Sicherheits”fanatiker geben kann scheint da noch nicht angekommen zu sein.
Für Hinweise auf Politikwissenschaftler (bzw. deren Publikationen), die noch irgendwas mit der Realität zu tun haben und nach vorne weisende Gedanken produzieren, bin ich wie immer dankbar. Ich finde es einstweilen zu frustrierend, in diesem Polis-Gefassel-Theoriemulch nach den eventuell verborgenen Nuggets zu suchen.
Achja, es fiel in einem der anderen Vorträge noch die interessante Zahl, das Ende der 80er in der DDR etwa 2 Millionen Gespräche pro Jahr aufgezeichnet wurden, was zu etwa 97.000 Gespächsprotokollen führte. Beeindruckende Zahl, mit Technik aus den 80ern. Lädt zu einem netten Politiker-Style Rechenvergleich ein. Nehmen wir mal die offizell knapp 135.000 überwachten Telefonkanäle (2005) in Deutschland. Bei durchschnittlich 3 Monaten Abhördauer sind das so ganz grob 33750 Kanäle, die jeweils zur gleichen Zeit abgehört werden. Wenn wir nun also nur mal annehmen, jeder Kanal würde vielleicht 4 Gespräche pro Tag führen (was vermutlich bei Leuten die des Abhörens für würdig befunden werden eher gering geschätzt ist), so landen wir bei fast 50 Millionen abgehörten Gesprächen pro Jahr. Die Anzahl der Abfragen von Namen und Adressen zu Telefonnummern durch “Sicherheits”behörden belief sich 2006 auf 3.6 Millionen und generierte 18.6 Millionen Abfragen dieser Daten durch die Bundesnetzagentur bei den TK-Anbietern. ( Jahresbericht der Bundesnetzagentur )
Und das ist nur die offizielle Statistik, ohne Geheimdienste und sonstiges illegales Abhören.
Nur mal so zum Vergleich, für all die Leute, die das Stasi 2.0-Label für übertrieben halten.
Hallo,
ich habe neulich einen überraschend relevanten und kritischen Vortrag über die aktuelle Situation von Prof. Dr. Rüdiger Voigt von der Universität der Bundeswehr, München gehört. Eventuell sind seine Schriftsätze ebenfalls aufschlussreich; ich bin aber kein Politik-Student und kann das nicht weiter beurteilen.
matsch