CeBit und andere Absonderlichkeiten

Ja, es ist mal wieder diese Zeit des Jahres. Der Stand war lange gebucht und auch schon bezahlt und die Deko fertig. Also liessen wir uns von kleineren Horrormeldungen nicht abschrecken und begaben uns mittels eines äusserst artgerechten Transportmittels Richtung Hannover.

In einem wirklich dicken Auto mitfahren, ist ein bisschen wie Thunfischsteaks essen: Beides wird man nicht mehr länger als 15 Jahre tun können, es ist ziemlich angenehm und irgendwie mangelt es mir ob des damit verbundenen Genusses und der nur seltenen Gelegenheit doch deutlich am schlechten Gewissen. Eigentlich will ich ja doch noch möglichst viel von der Welt sehen und geniessen, die gerade vor die Hunde geht… Ãœberhaupt so eine knifflige Frage: wo ist die Grenze zwischen sinnvoller Selbstbeschränkung, die wirklich etwas bringt und sinnloser Selbstkasteiung aus vermeintlich moralisch hochwertigen Motiven. Das muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Allerdings kann es nicht mehr lange dauern bis der kollektive Gutmenschen-Gruppendruck einsetzt. Im besten Falle wird es ein schöner Konsum-Trend zu planetenfreundlicheren Produkten sein, die einfach cooler, hipper und nützlicher sind.

Nunja. Als karmischen Ausgleich gab es dann ca. 20 km vor Braunschweig einen Massenstau, der uns zu frustrierendem Herumgewarte zwischen hunderten dicker stinkender LKWs zwang. Ein Mitreisender wusste zu berichten, daß selbst bei Industrieunternehmen, die echt unhandliche Teile zu verschicken haben, die beim Strassentransport Stress machen, der Trend zum LKW geht. Ein wesentlicher Grund ist, daß die Bahn wohl nicht ganz selten ganze Lieferungen für ein paar Wochen oder auch für immer verbummelt. Die sind dann geklaut oder vergammeln einfach auf irgendeinem Abstellgleis. Noch so ein Problem ist, daß die durchschnittliche Transportgeschwindigkeit wg. ausgedehnter Ruhepausen der Bahn eher unattraktiv ist. Und deswegen stehen dann jeden Tag zehntausende LKWs auf der Strasse rum und ruinieren die Welt in vielerlei Aspekten.

Mittlerweile plagte uns ein deutlicher Hunger, also fuhren wir die nächste Raststätte an. Ich fragte noch, ob wir vielleicht lieber mit dem Imbissangebot der anliegenden Tankstelle vorlieb nehmen wollen, aber am Ende landeten wir in einer Zeitblase namens “Autobahn-Raststätte Zweidorfer Holz (Nordseite)”. Nach passieren des – geschickt als Eingangstür getarnten – Dimensionsportals fanden wir uns ca. 1982 im tiefen Westen wieder. Die Dekoration, der Geruch, das Publikum, das “Speisen”angebot, alles perfekt. Wir entschieden uns für etwas das auf der auf bleichgrünem Papier schreibmaschinengetippten Tageskarte als “Holzfällersteak mit Bratkartoffeln” ausgewiesen war.

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No comment.

Unser vegetarisch veranlagter Chefpilot riskierte das “Omelett mit Champions” und, man mag es kaum glauben, traf damit eine noch schlechtere Wahl. Das Omelett bestand aus einem Fladen aus gegartem Ei, in dem sich eine Handvoll “Champions” befand, begleitet von ein bisschen welkem Salatrest mit Hollandtomate. Die “Champions” waren nicht etwa frisch und mitgebraten, nein, in dieser Zeitblase kamen sie direkt aus der Dose nach unvollständigem Abtropfen in den Eierfladen. Der darauf angesprochene Kellner, offenbar ein Mitglied der stolzen Betreiberfamilie Werthmann, hatte auf die indignierte Nachfrage nur die unwirsche Antwort “Das wird hier so gemacht”. Dem blieb nichts hinzuzufügen.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war in dieser Zeitblase der DM-Preis direkt 1:1 in Euro zu entrichten. Am Ausgang, wo es noch Schokoriegel und Filterkaffe aus den Händen des öffentlich lautstark streitenden Personals gab, waren noch andere frustrierte Stauinsassen anzutreffen, die ihrer Verwunderung über die Absonderlichkeiten der Zeitblase unverblümt Ausdruck verliehen. Am Ende waren wir froh entkommen zu sein. Die Folgeschäden beschränkten sich auf ein Magengefühl, welches ähnlich, aber nicht identisch, dem voll-aber-nicht-satt-Gefühl ist, daß sich nach dem Besuch von Burgerbratereien aka. “Schnellrestaurant” aka. “Systemgastronomie” einstellt.

Ein weiterer Vorteil eines wirklich dicken Autos ist, daß man problemlos aufs CeBit-Gelände fahren kann. Wir konnten also bis vor die Halle gleiten, den Stand ausladen und mit Hilfe der heiligen Verbindungstechnik-aus-dem-Westen-Quadriga aus Heisskleber, Tacker, Doppelklebe/Gaffaband und Kabelbinder zügig aufbauen. (Na gut, Heisskleber brauchten wir diesmal nicht, aber Ehre, wem Ehre gebührt). Der Rest des Abends war eher ereignislos, abgesehen von der bedrückenden Bombenteppichhausen-Architektur der Hannoveraner Stadtteile, in ihrer Hässlichkeit sorgsam komplementiert durch gnadenlos die letzten Reste von Architektur vernichtenden Schnellstrassenschneisen.

Am nächsten Morgen fing dann die CeBit an. Der Niedergang ist nicht mehr wegzudiskutieren. Halbe Hallen sind abgetrennt, die andere Hälfte voll mit halbleeren Ständen, deren Aussteller von der plötzlichen kostenfreien Zuteilung nicht genutzter Restflächen etwas überrascht waren. Obskurste Firmen und Gruppierungen haben offenbar die Gunst der billigen Stunde genutzt. Die Transzendentale Meditation hat einen deutlich großzügigen Stand unter dem Dach einer Uni installiert. Unter der Ãœberschrift “Wir machen Deutschland unbesiegbar!” wird wissenschaftlich dekoriert für die Innovationskraft der deutschen Industrie meditiert. Sehenswert (leider ist das Foto nix geworden, vielleicht kommt ja ein Leser noch da vorbei).

Am Abend begaben wir uns auf die Suche nach einem griechischen Restaurant auf der Hildesheimer Strasse, das meinen Reisegenossen letztes Jahr gute Dienste geleistet hat. Leider war offenbar der Pleitegeier oder die Hygenieinspektion schneller. Wir landeten also in einem Etablissement namens “Griechische Botschaft”, das leider nur eine eher mäßige Speisequalität zu bieten hatte. Wirklich abschreckend und eine ausdrückliche Warnung wert sind die Pommes dort. Zur Verdeutlichung hier ein Dokumentationsbild. Wir amüsierten uns damit, zu rätseln wie sie es schaffen, diese fettig-halbgar-labberige Konsistenz zu erzielen. Ich erspare Euch die Details.

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Inzwischen bin ich wieder in Berlin, die vorzeitige Abreise wurde durch mein leider immer noch lädiertes Knie notwendig (ich erspare Euch auch hier die Details).