Category Archives: Politics

Chaosradio-Gedanken

Gestern abend, Chaosradio auf Radio Fritz.
Das Thema: die neuen Reisepässe. Was mich erstaunt: die weitaus meisten Anrufer gehen erstmal pauschal davon aus das das ganze eine grosse Mauschelei und Abzocke ist (in diesem Fall haben sie sogar recht damit). Eine recht gute Sendung, offenbar haben wir ein Thema von Interesse getroffen. Die Hörer riefen schon an bevor wir überhaupt die Telefonnummer angesagt hatten.

Am Rande erfahre ich dann noch welche verheerenden Auswirkungen die geringer als erwartet ausgefallene Rundfunkgebühren-Erhöhung hat. Natürlich reicht das Geld noch um den öffentlich-rechtlichen Wasserkopf und die krass überzogenen Pensionsversprechen früherer Zeiten zu erfüllen. Gekürzt wird bei interessanten Sendungen, Reportereinsätzen und den Honoraren der freien Mitarbeiter. Das sind die einzige flexiblen Posten. Irgendwas muss da passieren, das System ist total verkorkst.

“Intelligent Design”

Mit Erstaunen sehe ich dem Erstarken des religiöse Fundamentalismus zu. Ich meine damit nicht den Fundamentalismus islamistischer Prägung, sondern den in meinen Augen weitaus gefährlicheren “christlichen” Extremismus. Getreu der ewigen These, dass alle Trends aus den USA in wenigen Jahren auch hier ankommen, steht wohl zu erwarten das die “Debatte” darum, ob das Kindermärchen aus der Bibel den Ursprung des Lebens erklären kann (die neueste Variante heisst “Intelligent Design”) auch in Deutschland ankommt. Ich möchte niemandem vorschreiben was er in seiner Freizeit glaubt. Aber sobald Glaube anfängt Wissenschaft, Forschung und Ausbildung zu beeinflussen, ist der Zeitpunkt gekommen, die Toleranz für eine Weile an der Garderobe abzugeben und massiv gegenzuhalten.

Die Ãœberwindung der Dominanz irrationaler Glaubensbekenntnisse ist eine der ganz grossen Leistungen der europäischen Zivilisation, die es mit Zähnen und Klauen gegen zu verteidigen gilt. “Christlicher” Fundamentalismus ist gefährlich weil er das, was von den bürgerlichen Freiheiten noch übrig ist, an der geistigen Basis von innen aushöhlt. Die Toleranz endet da und mir ist es wirklich egal ob der Angriff von Islamisten oder von “Wiedergeborenen Christen” (oder wieauchimmer sie sich grade nennen) betrieben wird. Wer von “Intelligentem Design” und “biblischen Werten” faselt, kann sich gleich zu denen stellen die die Scharia in der mittelalterlichen Fassung für das ideale Gesetzbuch halten. Beide Strömungen verdienen eine eigene Rubrik im Verfassungsschutzbericht. Wie diese Truppen ernsthaft erwarten können das ihr irrationaler Unsinn akzeptabel wird, nur weil er nicht mehr “Kreationismus” heisst und ein paar Formulierungen so angepasst, sind dass der Schöpfergott auch ein Schöpferalien sein könnte, bleibt mir ein Rätsel. Offensichtlicher geht es ja kaum noch.

Wer es ein bißchen ausführlicher will: The Sceptics Guide to Intelligent Design zerlegt die angeblichen Argumente der Bibelschwinger sehr schön und zeigt die personelle Kontinuität von Kreationisten zu “Intelligent Design”-Protagonisten auf.

Zwei Wochen warten

Das Wahlergebnis hat eigentlich vor allem eine Gruppe beschädigt: die Prognostiker. Nichtmal die sonst von mir bevorzugte Wahlbörse war in der Lage, dass Absemmeln der CDU/CSU vorherzusehen. Immerhin waren die Ergebnisse der kleinen Parteien halbwegs akkurat (wobei die Handelsbewegungen der letzten Stunden darauf hindeuten, dass zumindest jemand vor Wahllokalsschluss wusste, dass die FDP besser wird als vorhergesagt). Damit ist nun klar, dass alle derzeitig verwendeten Prognosesysteme Schrott sind, die normalen Umfrageergebnisse lagen ja am Ende noch weiter daneben. Wie schön, eine Marktlücke.

Das Koaltionsgeschacher ist angesichts des Ergebnisses nur noch mit einem guten Handbuch für angewandte Bizarrologie zu verstehen, in Neuseeland haben sie lustigerweise das gleiche Problem . (Danke Andreas ).

Die Dresdener werden sich noch sehr ärgern, dass ihre Verwaltung sich nicht schnell genug bewegt hat, um eine rechtzeitige Wahl zu ermöglichen. Nun da die Wahl im Wahlkreis 160 (diesen Begriff werden wir wohl bald nicht mehr hören können) wirklich entscheidend wird, geht Schröder da wahrscheinlich zwei Wochen lang persönlich die Schrebergärten abklappern, Kindergärten bauen und Deiche schippen. Die Übertragungswagen werden sich auf den Strassen stapeln, jeder auch nur ansatzweise telegene Einwohner wird mindestens zweimal interviewed und mit den Wahlwerbebroschüren können sie dort vermutlich noch mehrere Winter heizen. Vielleicht haben sie ja auch Glück und es rappelt sich vorher schon irgendwas zusammen in Berlin, viel Hoffnung habe ich aber nicht. Eigentlich ist es auch fast egal, viel Handlungsspielraum hat keine der denkbaren Koalitionen. Schön wäre es, wenn sie Beckstein in Bayern lassen könnten, der ist dort kulturraumkompatibler.

Das Entscheidungsproblem

Gerade war ich wählen, wenn auch nicht gerne. Seit Jahren nun wähle ich konstant das geringere Übel, diejenigen, von denen ich wider besseres Wissen annehme, sie würden die postulierten Ideale am wenigsten verraten, wenn sie an der Macht sind. Angesichts der Alternativen erschien es mir nach langem Grübeln auch dieses mal doch angeraten wählen zu gehen, wie gesagt, nicht gerne und eher widerstrebend.

Die Aussicht auf das anstehende Gehänge, angesichts des absehbar sauknappen Ergebnisses , macht mich auch nicht gerade froh. Erst wird es bis zum Montagmorgen ein Gerate und Gedeute um die letzten Zehntelprozente geben, dann beginnt die Ãœberhangsmandats-Rechnerei und dann das Ganze nochmal von vorn, sobald Dresden sich bequemt hat, dann doch mal zu wählen. Es kann natürlich sein, dass wir einen überraschenden Erdrutsch-Sieg der Kanzlerette sehen (dann wären die Vorhersageinstitute grandios blamiert). Immerhin würde uns das drei Wochen politische Agonie mit tausend Interviews von Auskennern und Spezialexperten auf allen Kanälen ersparen. Aber ob das vier Jahre kompromisslose Abschaffung der letzten Bürgerrechte und noch mehr fragwürdige Wirtschaftspolitik wert ist…

Vieleicht bekommen wir am Ende ja mal ein Wahlrecht, das einer westeuropäischen Zivilisation würdig ist. Ãœberhangmandate und Negatives Stimmgewicht sind doch nichts weiter als ein schlechter Patch für eine verkorkst implementierte Grundidee. Dass Parteien ohne Nachrückkandidaten antreten können, sollte sich wohl auch erledigt haben. Und das mit den Wahlmaschinen kann ohne öffentliche Untersuchung auch nicht durchgehen…

Rebuilding will happen…

Looking at satellite images of New Orleans , it is relatively straightforward to guess that the city will be declared a Sacrifice Zone , because (as Neil Stephenson defined in Snow Crash) it is land “whose clean-up cost exceeds the total future economic value.”

On the other hand, there is the Port of Southern Louisiana , which is of tremendous importance to the US economy. There is the Louisiana Offshore Oil Port (LOOP) and quite a number of other oil transport and refinery facilities. All these can not run without a substantial workforce. Most of the workers lived in or around New Orleans and are by now either struggling for their very survival or are climate disaster refugees in the neighboring states. And they are unlikely to return until New Orleans gets inhabitable again.

Giving up the ports is not an option, the economic damage to the US would be too massive. So my guess is they will rebuilt some sort of New Orleans roughly in the same spot. Probably there will be a risk premium to wages for workers who agree to live there, but lets face it, there are even people willing to go to Iraq for oil and transportation jobs now, if the money is right.

Effizienter Ärzteprotest

Einen lobenswert kreativen Protest von Assistenzärzten gegen ihre äusserst bescheidenen Arbeitsbedingungen gab es neulich in Mitte zu besichtigen. So Weisse Kittel machen schon was her. Und dann noch vor der Stammkneipe der Bonn-stämmigen Politikjunkies, Hut ab…

FDP wieder hochqualifiziert zugange

Die FDP beweist wieder einmal hochgradige Sachkompetenz und Prinzipienfestigkeit. Dieses mal bei der Anbringung der Wahlwerbung gegenüber dem komplett kameraüberwachten Bürgersteig vor der FDP-Zentrale in Berlin…

Die Musikindustrie-Diskussion

Gerade in der Diskussion über Filesharing auf dem Camp Discordia mit Smudo (Fantastische4) fällt mir auf das die üblichen Verdächtigen wie Markus Beckedal mit ihrem Kulturflatrate-Gefasel einigermassen ahnungslos und argumentationsarm sind. Smudo war ihnen nicht nur rethorisch überlegen, auch wenn seine Produktfixierung echt nervt. Erdgeist sass neben mir und war auch eher ungehalten über die Diskussion. Ein paar Stichworte dazu was eigentlich abgeht:

Es geht nicht mehr um Filesharing, es geht um DRM und Watermarking.

Der einzige gerechte Weg eine Kulturflatrate einzuführen ist perfektes Watermarking. Nur so lässt sich ein Weg finden die Einahmen aus der Flatrate entsprechend der Popularität an die Künstler zu verteilen. Mit diesem Watermarking und dem Zwang zu mit diesem System kompatiblem Playern könnten Downloads, Radio-Abspielungen, Webradio-Abspielungen (direkt umgerechnet auf Hörerzahlen) usw. usf. komplett erfasst werden und zugeordnet werden. D.h. der Preis für eine Kulturflatrate ist eine Kompletterfassung des Medienabspielens, GEMA de luxe. Damit könnte man natürlich auch ganz prima ein Musikindustrie-Ideologie kompatibles pay-per-listen System implementieren. Wollen wir das wirklich?? Abgesehn davon das eine Kulturflatrate eigentlich nur global funktionieren könnte, Musik ist ja schliesslich auch global.

Was mich wirklich aufregt ist das niemand mal die ökonomische Wahrheit ausspricht: Hollywood und die Musikindustrie sind wirtschaftlich gesehen ziemlich unbedeutend. Der globale Gesamtumsatz der Medienindustrie ist nunmal wesentlich geringer als der der Computer- und Internetindustrie. “Ein Pickel am Elefantenarsch der Computerindustrie” war sinngemäß der treffende Vergleich eines IBM-Managers. Die Festplattenhersteller alleine haben wahrscheinlich mehr Umsatz. Wenn sich die ISPs dazu entschliessen würden aus ADSL flächendeckend SDSL zu machen wären Hollywood, Bollywood und die Musikindustrie unmittelbar erledigt. Und diese einigermassen unbedeutende, fragile und selbstverliebte “Medien-Industrie” wagt es, im Namen des heiligen Künstlers, unsere Computerplattformen zunageln zu lassen und die Kreativität eben jenes Künstlers einzuschränken, in dem sie die Wiederverwendbarkeit von Mediadaten unterbindet und neue Technologien aktiv zu verhindern sucht.

Ich habe gerade auch keine wirklich gute Idee wie der Konflikt zu lösen ist, aber dazu gehört sicherlich der Abschied von der Illusion das man mit Musik stinkend reich werden kann.