22C3 Nachlese
Gerade sitze ich im Zug nach Rügen, draussen ist die Landschaft flächendeckend zugeschneit.
Der geneigte Leser möge die fehlende Congress-Berichterstattung verzeihen, ich hatte einfach zu viel zu tun um das Blog zu pflegen. Spassig war der Kongress, trotz erheblichem Stresslevel. Das Netz lief (sogar WLAN), etliche Vorträge waren sehr gut (na gut, ein paar Nieten sind immer), die Videoaufzeichnung und das Streaming liefen, das Essen war bis auf ein paar Aussetzer halbwegs akzeptabel und durch die vier Tage war einfach mehr Zeit um mit Leuten zu reden. Natürlich war die Erschöpfung nach Tag 4 eine eher erhebliche, aber das war es wohl wert. Insgesamt waren ziemlich genau so viele Leute da wie das Haus verträgt, also etwas weniger als letztes Jahr. Ich werde mir wohl in den nächsten Wochen viele der Vorträge die ich verpasst habe als Videofile ansehen, das die Aufzeichnung gut funktioniert hat trägt schon wesentlich zur Qualität der Veranstaltung bei.
Die Hacker Ethik Hotline, eine Idee die mir nach den erheblichen Unannehmlichkeiten mit einem Massenhack letztes Jahr kam, wurde zwar nicht gerade mit Anrufen überlaufen, aber erfüllte ihren Sinn. Mindestens in einem Fall konnten wir einen Angriff gegen eine grössere Installation vermeiden. Der eingesparte Stress am Abuse-Telefon (da wo die anrufen bei denen schon was passiert ist) war den überschaubaren Aufwand sicher wert.
Interessant waren noch die sonstigen Kontake auf der Hotline. Ein Sysad sprach mich an, der in einer extrem schwierigen Situation steckt. Er ist im Rahmen seines Jobs damit beauftragt umfangreiche e-mail Ãœberwachung in einer Institution zu betreiben, obwohl die rechlichen Vorraussetzungen (Information der Mitarbeiter, Verbot privater e-mail etc.) nicht gegeben sind. Wenn er den Fall aufdeckt, ist er mit Sicherheit seinen Job als Freelancer dort los. Potentielle Ansprechpartner in der Hierarchie sind dummerweise Nutzniesser der Ãœberwachung. Ich hoffe ich konnte helfen…
Lustiger war ein eher ziemlich betrunkener Anruf einer Gruppe die überlegte ob es moralisch vertretbar sei, einen der Ihren mit Gaffa-Tape zu bondagen. Ich hoffe, ich konnte mit meinen Hinweisen auf die erforderliche Zustimmung des Opfers und die angeratene Verwendung von Bondage-Tape (klebt nur auf sich selbst, auf nix anderem) weiterhelfen. Zumindest wurde mir nichts von Gaffaband-Mumien berichtet…
Entgegen dem was Tim in der Abschlussveranstaltung sagte wurde das Phone Operations Center doch mindestens einmal gehackt. Der Hacker fragte auf der Ethik-Hotline ob wir da nun moralisch hochwertige Hinweise zum weiteren Vorgehen hätten. Eine kurze Überprüfung ergab, daß die POC-Besatzung geschlossen frühstücken war und er währenddessen einfach kurz das Zentralen-Telefon benutzt hatte ;-)
Die Fnord News Show war wieder mal viel mehr Arbeit als erwartet, das Selektieren und Aufbereiten der Stories verschlingt Zeit ohne Ende. Dank der stilistischen Beratung durch Antenne und Erdgeists tolle Titelmusik war es dieses mal auch optisch und akustisch sehr schick. Das Feedback vom Publikum war sehr ermunternd, gerade nach all dem Geningel der Political Correctness Fraktion gegen die Show im Vorfeld. Spiegel Online, ausgerechnet Spiegel Online (!), hat es dann noch fertiggebracht sich über unseren “halbgaren Quellen” und mangelnde Seriosität zu beschweren. Mir fallen da nur Sprüche mit Glashäusern und Steinen ein.
Extrem viel Feedback – persönlich, in den Blogs und diversen Medien – gab es auf den “We lost the war”-Talk den ich mit Rop gehalten habe. Rückblickend haben wir unser Ziel im wesentlichen erreicht. Es wird endlich debattiert und überlegt wohin die Reise geht. Wir hätten wahrscheinlich Folien machen sollen, aber Rop meinte das lenkt nur ab. Lustig war der Vorwurf wir hätten unsere Winterdepressionen mit dem Publikum geteilt…
Um es nochmal klar zu sagen: es geht nicht darum aufzugeben und zu kapitulieren. Es geht darum, der Realität ins Auge zu schauen und entsprechend zu handeln und sich nicht länger der stillen Illusion hinzugeben, daß würde sich schon alles wieder einrenken. Die weisse Fahne vorn auf der Datenschleuder hat der Chefredakteur da hingemacht, wegen der Auflage…
Der letzte Absatz ist der Wichtigste: Wir dürfen uns nicht länger der Illusion hingegeben, dass schon irgendwie alles wieder ins Lot kommen wird. Deshalb: “Never give up! Never surrender!” (Commander Taggart, “Galaxy Quest”)
…was hast du dem Sysad in der E-Mail-Ueberwachungsgeschichte geraten? Wuerde mich interessieren!
Ich hab genau so viel geschrieben wie ich schreiben kann ohne ein Risiko einzugehen. Vieleicht kann ich das später nochmal konkretisieren. Sorry, Sicherheit geht hier vor Neugier.