Category Archives: Strassenbahngedanken

Dinge die mir beim täglichen ÖPNV-fahren ein- und auffallen.

Die Sicherheitsgefühlslage

Berlin bewegt sich ringförmig auf den mentalen Ausnahmezustand zu. Der männliche Teil des Mittepenner -Medienpraktikariats trägt neuerdings spiessige Oberhemden zu den hippen Großstadt-Vorabendsoap-Zottelfrisuren und debattiert, in zu normalen Zeiten harmlosen Kneipen, über Abseits- und Foulregeln. Im Untergeschoss flimmert ein Grossbildrasen dröhnend in den verregneten Abend. Umlagert ist das Pixellagerfeuer von bunt gemischtem jungem und mittelaltem Zentralberlinervolk, aufgegangen in der völkischen Katharsis des Gruppenglotzens. Völlig normale Mitmenschen werden aufgesogen und finden plötzlich Fußball toll, weil das machen ja gerade alle so. Come on! Everbody’s doing it…

Individualismus ist wieder einfacher geworden in Berlin, man muß einfach nur keinen Fußball mögen. Und dabei sind das erst die Vorspielfreuden. Dieses Blog jedenfalls wird garantiert eine WM-freie Zone bleiben, mich interessieren nur die Risiken und Nebenwirkungen.

Auf der Strasse im vorbeigehn, ein Gesprächsfetzen in aufgeregt-ängstlichem Tonfall: “.. und nun stell Dir vor man läuft hier auf der Strasse lang und dann sticht irgendsoein Typ aus Neuköln einfach Leute ab…”. Es scheint schlimm zu sein das es “irgendsoein Typ” war, der den Aufenthalt in Menschenmassen mental zu einem Hochrisikoverhalten gemacht hat, in diesen menschenmassenreichen Tagen. Vieleicht wäre es besser für Volkes Psyche, wenn zukünftig nur noch zertifizierte Publikumslieblinge mit gezücktem Messer in Menschenmengen metzeln gehen, zumindest zur WM. Das würde die Kollateralschadenserfassung hinterher auch deutlich vereinfachen. Die BZ müsste nicht 16-jährige Ex-Freundinnen aus Neuköllner Ghettohinterhöfen hervorkratzen, um tiefschürfende Analysen á la “Er war immer lieb zu mir, aber wenn er mit seinen Kumpels saufen war, wurde es schlimm…” der geschockten Leserschaft darzubieten.

Gerempel in der Strassenbahn vorwiegend zwischen 60+ Mitbürgern, die ein bischen durcheinanderpurzeln. Der Fahrer muss sich wohl erst an die frischen Bremse gewöhnen. “Je älter desto doller…” ” Du siehst schon so aus, so unfreundlich…”.
Die kurzhaarige-wohltrainierten jungen Männer aus dem Brandenburger Umland, die man früher kurz und knackig “Nazis” nannte, sind nun ganz ehrbare Sicherheits-Dienstleistende. Mit dezenter Uniform und solider zweiwöchiger Ausbildung, darunter eine salopp “Paragraphentraining” genannte Kurzeinführung in die Rechtslage, sollen sie nun das Volk vor dem gemeinen Messerschwinger aus Neukölln schützen. Hersteller und Verleiher von Security-Gadgets aus ganz Europa ballen sicher schon ihr Servicepersonal in der Stadt. Die Sicherheitsschleusen mit Metalldetektoren gegen Metzelwütige sind eine tolle Erfindung: sie verschieben das Problem in die sich anstauende Menschenmenge davor.

Daß das “Sicherheitskonzept” ernsthaft einen low-tech Amokläufer abhält, ist kaum zu erwarten. Im Gegensatz zur, nunmehr als “funktioniert” abzuhakenden, Einsatztaktik der Berliner Polizei am 1. Mai, ist viel zu viel sinnlose High-Tech gegen Movie-Plot-Bedrohungsszenarien im Spiel, die unter dem Druck der schieren Zuschauermengen im Zweifel stillschweigend stillgelegt oder in den Sicherheitsimulationsmodus geschaltet wird. Schäubles Versprechen das jeder Nasepopler live und in Farbe aufgenommen wird, dürfte sich als ähnlich hohl erweisen, wie die angeblich flächendeckende Ãœberprüfung der Personalisierung der Eintrittskarten. Sicher, in 4 Jahren wird das alles prima funktionieren. In ein paar Tagen wohl aber eher nicht. Wir bleiben gespannt.

Es ist so einfach…

… sich als hoffnungsloser Verlierer in der Strassenbahn zu positionieren: einfach ein bischen unterirdisch schlechten Deutschhiphop mit der lyrisch wertvollen, etwa 80% der Darbietung ausmachenden Reimzeile “Zeig den Mittelfinger, scheiss aufs Gesetz” auf dem Mobiltelefon über den Lautsprecher laufen lassen, mehrere Haltestellen lang. Ich konnte mich dann irgendwann doch nicht zurückhalten und fragte den aufmerksamkeitsbedürftigen Mitreisenden, ob er vieleicht ein schreckliches Ohrleiden habe das ihn daran hindert den gewiss mit dem Telefon mitgelieferten Kopfhörer zu verwenden. Selbiger blaffte “Was geht Dich denn das an, Alter? Passt Dir meine Musik nicht?” und stieg an der gerade herannahenden Haltestelle aus. Schade, ich hätte doch was über aktuelle Jugendkultur lernen können. Nicht das mich das Gehörte überzeugen könnte, mein Vorurteil über gewisse Teilbereiche des Deutschrap zu ändern, aber mich würde ja doch interessieren, wie man solch stumpfe Texte auf Dauer aushält.

Schade eigentlich…

Das Di Prom in Mitte hat offenbar Besitzer und Koch gewechselt, von weiteren Besuchen ist abzuraten. Wirklich schade, ein halbwegs bezahlbarer tauglicher Thai fehlt nun in der Gegend…

Olfaktorisch lästiger Tag

Es gibt Tage, an denen stinkt Berlin einfach. Heute ist so einer. Die Temperaturen schwingen sich, zum ersten Mal seit langem, in den knapp positiven Bereich, der klare blaue Himmel ist grauen Wolken gewichen, die Luftfeuchtigkeit ist gestiegen. Irgendwie führt das dazu, daß es allgemein mehr stinkt, müffelt, mieft und sonstwie olfaktiert. Die festgefrorenen Hinterlassenschaften der vergangenen Tage und Wochen treten zu Tage, die Menschen, noch gewohnt an die Vereisung, treten rein und breiten die Müffelzone bis in die Strassenbahn aus. Die Abgase bleiben unten und würzen den Mief.

Ein kräftiger Wind wäre schön.

Hundeflüsterer

Ein besonderes Kapitel Absurdität sind Hundebesitzer die in Verkehrsmitteln ihre Vierbeiner disziplinieren. Grob kann man sie in verschiedene Kategorien unterteilen: Punks, Bodybuilder-Kampfhunddompteure bzw. ihre Frutten-Freundinnen, Renter, alternative Schönhund-HalterInnen, Paris-Hilton-lookalike Stelzbeinratten-Trägerinnen und normale Proleten. Jede dieser Gruppen hat eine sonderbar spezifische Ansprache an den Vierbeiner. Punk und Frutten-Freundin haben viel gemeinsam. Oft sind ihre Erziehungsversuche eher hilflos. Einen Hund wiederholt mit “Was soll das??!” anzublaffen ist schon eher komisch, vor allem wenn der Hund dazu absolut verständnislos dreinschaut. Besonders wunderlich sind ausländische Kampfhundjünglinge die ihr Viech mit einer Mischung aus Stadtbezirksüblichem “Ey Lan, hassu kein RESPEKT oda wass! “-Slang und abstammungsspezifischen Sprachbrocken (meist türkisch oder libanesisch) anpaulen. Proleten und ihre Hunde sind besonders lustig wenn der menschliche Teil des Paares betrunken ist. “Nu los, kommmmm schon, Belllloo! Wir müssn na Hause… Herrchen is müüüüdee…”

Älterwerden…

… ist ja jenseits der 30 ohnehin keine tolle Sache. Aber wie mir grad in der Bahn auffällt scheint es Leute mit Geschlechtsumwandlung nochmal deutlich viel härter zu treffen. Die resultierenden Schmink- und Modeabsurditäten sind dann nichtmalmehr komisch…