Manche Probleme des modernen Alltags sind zugegebenermaßen reine Luxusprobleme. Services, die auf dem allergrößten Teil des Planeten so nicht denkbar wären. Deren Versagen einen dann aber doch wurmen, weil man für das Versprechen einer Dienstleistung gezahlt hat, das dann nicht eingehalten wird. Eines davon ist die Express-Overnight-Paketzustellung, spezifisch die von DHL.
Wenn ein notwendiges Alltagsutensil irreparabel kaputtgeht, möchte man schnell Ersatz. Wenn es dann auch noch groß und unhandlich ist, also inkompatibel mit den Transportkapazitäten eines fahrradzentrischen Alltags, ist die naheliegende Lösung die Online-Order mit Expresszustellung. Am nächsten Tag, vor 12 Uhr soll das Paket ankommen, so versprechen es Verkäufer und DHL Express.
Und richtig, verheissungsvoll kündet das Online-Sendungsverfolgungssystem:
24.07.10 07:05 Uhr – Sendung befindet sich auf dem Weg zum Empfänger
Gegen kurz vor 12 stellt sich dann eine gewisse Unruhe ein, kein Klingeln, kein Motorengeräusch, nichts. Eine halbe Stunde später kündet das Online-System:
24.07.10 11:49 Uhr – Empfänger wurde nicht angetroffen
Ein kurzer Sprint zum Briefkasten ergibt: keine Postkarte über den Zustellversuch, da war also auch nichts. Die Betonung und Wortwahl der Dame von der Hotline war aufschlußreich: “Hmja, die Sendung sollte bis 12 da sein… 11:49 Uhr soll niemanden angetroffen worden sein… Ich schicke dem Fahrer eine Nachricht das er noch vorbeikommt…”.
Ich bringe ja ein gewisses Verständnis dafür auf, daß der Paketfahrer an feuchtwarmen Tagen wie heute nicht so unbedingt motiviert ist, große unhandliche Paket einige Treppen hinaufzuwuchten. Wahrscheinlich bekommt er dafür nur einen Mindestlohn, der mich nicht einmal motivieren würde morgens aufzustehen. Vielleicht hat ihm DHL auch wegen des geringeren Paketaufkommens in der Sommerzeit eine umfangreichere Ausliefer-Tour aufgedrückt, die es schwer macht, bei all den Baustellen in der Gegend die Lieferzeit einzuhalten. Dann drückt er halt kurz vor 12 bei allen Express-Paketen, die er bis dahin nicht losgeworden ist, den “Empfänger nicht angetroffen”-Knopf. Ich vermute mal, das der Fahrer für zu späte Auslieferung von 12-Uhr-Sendungen angeraunzt oder sonstwie gemaßregelt wird. Wenn er niemand antrifft aber logischerweise nicht. Ein klarer Fall von falsch gesetzten Anreizen, “niemand angetroffen” wird so zur Normhandlung. Ich sehe das Problem also eher im System DHL als beim individuellen Fahrer. Die letzten Kilometer, das Ausliefern beim Kunden, sind der Teil, bei dem es ausschliesslich auf die Motivation der Mitarbeiter ankommt. Alles andere lässt sich ziemlich gut rationalisieren und automatisieren. Wenn man dann aber die gleiche Spar-Ideologie da anwendet, wo es nur noch auf den einzelnen Mitarbeiter ankommt, macht man das ganze Express-System kaputt. Die Pakete rauschen blitzschnell zur Zustellbasis, um von dort von demotivierten und überforderten Fahrern einmal im Kreis gefahren zu werden. Mit diesem System wird Expresszustellung faktisch zu einer Garantie für verspätete Auslieferung bzw. selbst zum Postamt latschen und schleppen.
Das weitere Geschehen spielt sich nun im Online-Verfolgungssystem ab. Erst verschwand der “Empfänger nicht angetroffen”-Eintrag. Dann war er wieder da. Dann verschwand er wieder. Dann war er wieder da. Dann verschwand er wieder… Gerade war er eine knappe Stunde weg, nun ist sie wieder da. Ich habe also gewisse Zweifel, daß da heute noch was passiert. Der Fahrer ist vermutlich genervt und drückt einfach immer wieder den “war keiner da”-Knopf, egal was die Zentrale ihm versucht vorzuschreiben.
Update: mehrfaches Nachningeln war dann wohl doch erfolgreich. Gerade kam ein kleines DHL-Auto und brachte mein Paket. :-)