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Demonstrieren macht wieder Spaß – es geht weiter

Eigentlich ist ja die Demo-Saison noch nicht eröffnet, weil es einfach zu kalt ist. Trotzdem kamen heute um die 500 Leute (andere schätzten sogar 800) zum Potsdamer Platz, um bei strahlendem Sonnenschein, bester Laune und mit lustigen Plakaten dem Lügenbaron die Schuhsohlen zu zeigen und ihn auf sein Schloß zurückzuschicken. Ich bin durchaus beeindruckt, was in nicht mal zwei Tagen Mobilisierungszeit – praktisch nur Online über Twitter, Facebook und Blogs – geht. Es gab sogar eine kleine mobile Soundinstallation, die zwischendurch für den beschwingten Schritt sorgte. Die Staatsmacht hat sich zurückgehalten und die Quote an Spinnern war erfreulich gering. Und es kamen viele Leute, die ich bisher noch nie oder wenn vor vielen, vielen Jahren auf einer Demo gesehen habe. Die Altersmischung war groß von Kindern bis zu Rentnern.

Presse war auch gut vertreten, lustigerweise sagte mir ein Reporter “Ich wäre auch privat gekommen, es reicht jetzt echt…”, was wohl die Stimmung in vielen Redaktionen wiederspiegelt. Wir haben es in den Berlin-Brandenburg-Feed von dpa geschafft und die Medienreaktionen und Bilder sammelt der Metronaut .

Nächsten Samstag (5.3. 12:30) gehts dann wohl an gleicher Stelle weiter, wenn ich Twitter und Facebook richtig interpretiere. Also Termin freihalten und alte Schuhe bereitlegen!

kleines Update:Ich bin gerade sehr amüsiert darüber, wie schwer sich die Medien so mit der Attributierung der Demo tun. “Wie, keine Organisation? Aber…” Um kurz aufzuklären: ich bin nicht “Fefe” und die Idee und auch Anmeldung der Demo ist von Hans Hübner . Ich bin jedenfalls sehr froh, daß das Prinzip der netzbasierten Spontanorganisation so gut funktioniert, wenn viele Menschen das gleiche Anliegen haben und wir uns mal eben fast spontan zusammenfinden können, um dafür auf die Strasse zu gehen.

Ich war auch da :-) (Bild aus der Berliner Morgenpost

Guttenberg aufs Schloß zurückschicken! Samstag 12.30

Die Zustände der Politik in Deutschland verkommen ins unerträgliche. Die BILD-Leser wollen einen adeligen Blenderkönig haben. Wenn wir uns das gefallen lassen, wenn ein Minister in Deutschland mit so einem Monsterplagiat durchkommen kann, ohne zurückzutreten, ist es bald vorbei mit Wissenschaft und Politik in Deutschland.
Schicken wir Guttenberg zurück auf sein Schloß, zeigen wir dem Lügenbaron den Schuh!

Treffpunkt: Samstag, 26. Februar 2011, 12:30 Uhr,
Potsdamer Platz, Berlin, an der historischen Ampel
Ende: Bundesverteidigungsministerium, Stauffenbergstraße

Bringt Transparente, Lügennasen und Extra-Schuhe mit!

Der ursprüngliche Facebook-Event fiel leider einem kleinen Unfall zum Opfer (da hatte er 445 zugesagte Teilnehmer), der neue Facebook-Event ist hier.

Die Twitter-Tags für die Demo sind #guttbye und #Lügenbaron

Schöne Plakat-Vorlage

PS: Polizeiliche Anmeldung der Demonstration ist erfolgt, Bearbeitungsnummer @24.02.2011-08381631

Alternativlos #12: Neusprech

Da wir ja im Januar ein wenig hinterherwaren mit Alternativlos-Sendungen gibts gerade eine etwas raschere Kadenz. In der gerade frischen Folge 12 haben wir zum ersten Mal zwei Gäste gehabt, nämlich Kai Bierman und Prof. Martin Haase vom Neusprechblog. Dank der Flattr-finanzierten Headsets ging das ziemlich gut, wobei wir die Positionierung der Mikrofone nochmal ein wenig üben müssen.

Die Sendung hat ziemlich viel Spaß gemacht, Kai und Martin sind amüsante und belesene Gesprächspartner. Und das Thema Sprache und ihre Veränderung und kreative Nutzung – ob nun zur Realitätsverschleierung oder zur Realitätsveränderung – liegt mir ja ohnehin sehr am Herzen. Insofern eine lohnende Folge, anzuhören gibts die hier.

Wie man sich selbst lahmlegt

Wir stehen gerade am Anfang einer umfangreichen Schlammschlacht zwischen den Protagonisten, die ehemals das Projekt Wikileaks begonnen haben. Der grundlegende Gedanke, daß die Welt ein möglichst niederschwelliges Ventil für die Frustrierten, von Gewissensnöten geplagten und Unterdrückten braucht, eine Möglichkeit, die Mächtigen mit ihrem Tun anhand der dabei entstehenden Dokumente zu konfrontieren, ohne daß die Quelle sich persönlich in die Schußlinie begibt, scheint irgendwo hinten runtergefallen zu sein.

Es geht offenbar nur noch um die Egos, um Kränkungen, Mißtrauen, Beleidigtsein und persönliche Vorwürfe. Von “geistigem Eigentum” ist auf der einen Seite die Rede, von “gestohlenen Daten” auf der anderen. Durchschlagskräftige Anwälte werden in Stellung gebracht, es geht um den Besitz von Daten, die eigentlich niemand gehören sollten außer der Öffentlichkeit, und pro und contra der Publikation eigentlich vertraulicher Chat-Protokolle. Die werden in Buchform – gespickt mit Boulevard-tauglichem Geschwätz über erotische Präferenzen, Neurosen, Körperhygiene, amateurhaften psychologischen Deutungsversuchen und Lebensgewohnheiten des ehemaligen Freundes – sicher ein Bestseller werden.

Ganz ehrlich, es ödet mich jetzt schon an. Ich will eigentlich gar nicht wissen, mit wem dieser oder jener wieviele Kinder gezeugt hat, wer wann welche Mediendeals vereinbart, versiebt oder abkassiert hat, an welcher Stelle der Geschichte alles nur ein großer Bluff war und wer wen verdächtigt, ein Agent des Bösen(tm) zu sein. Es ist einfach nicht mehr wichtig, die Saat der Zersetzung ist gelegt. Der Gegner ist offensichtlich primär der einstige Freund. Er wird bekämpft mit der Inbrunst, die sonst vor allem in Religionen den Abweichlern vorbehalten ist, die sich nun linksrum statt rechtsrum bekreuzigen, obwohl sie immer noch die gleiche Bibel verwenden und an den gleichen Gott glauben.

Die Protagonisten haben sich ganz offensichtlich in dem verlaufen, was der historische CIA-Gegenspionage-Chef James Jesus Angleton die “Wilderness of Mirrors” nannte. Geheimnisse tendieren dazu, ihre Träger aufzuzehren. Je größer die Bürde des Geheimnisses, je größer die angenommene klandestine Gegenwehr des ehemaligen Besitzers der Daten, desto größer die Paranoia, desto schneller und umfangreicher die gegenseitigen Verdächtigungen. Deswegen war der ursprüngliche Ansatz von Wikileaks ja auch, alles so schnell wie möglich und vollständig zu publizieren. Nur so läßt sich vermeiden, daß die Effekte eintreten, die in den nächsten Wochen in epischer Medienbreite im Detail über uns ausgegossen werden. Die erste Lehre, die man wohl aus der Wikileaks-Geschichte notieren kann ist: Wenn eine kleine Gruppe Menschen für längere Zeit auf größeren Bergen Geheimnisse sitzt, wird sie von ihnen aufgefressen.

Und im Hintergrund läuft weiter die mittlerweile eher leise, aber vermutlich umso hartnäckigere Kampagne der US-Regierung, die offenbar ein gnadenloses Exempel statuieren will, an den echten oder vermuteten Schuldigen der imperialen Entblößung. Die Umlenkung der Aufmerksamkeit auf die Details, die im Londoner Glamour-Prozeß um Julian Assanges Auslieferung und in Daniel Domscheit-Bergs Buch ausgerollt werden, ist den Wikileaks-Jägern sicher nur recht. Erstes Ziel der Gegenkampagne erreicht, Plattform neutralisiert, die Leaker haben mit sich selbst zu tun.

Gerade jedenfalls gibt es keinen empfehlenswerten Ort, wo sich Whistleblower hinwenden können. Außer wieder den klassischen Medien, mit ihren Problemen der staatlichen, juristischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Querverflechtungen, ihrer Historie von unterdrückten Stories und verratenen Quellen.

Country domino, the next candidates

The question which countries are next up for severe turmoil is currently becoming rather important. Given that oil and gas is getting more expensive without doubt and we are at the beginning of a worldwide food distribution crisis already, the countries where families are spending most on food already are getting to get hit the hardest. I only found statistics on how much of family income is spent on food for 2008 (links to newer data welcome!). Here is the list of those where the food expenditure are over 30% back then sorted by the percentage:.

It certainly has gone worse in the meantime for most of these (maybe with the exception of former Yugoslavia). India has been in the grip of an onion price crisis for several weeks now, Australias harvest is likely to be bad, Russia is beginning to sell wheat from its government reserves to stabilize prices that shot up due to the bad harvest from last summer, China is facing a drought, and on and on… Things are not getting better in the next months.

As Stratfor put it so precisely in a recent report on the limited extend of the actual grain reserves in Egypt:
As history has shown repeatedly, nothing is as dangerous to social stability in general or governments in particular as food shortages. People can and do riot about ideology or politics, but people must riot about food because, simply put, they can die if they do not.

Wer die Geschichte nicht kennt…

… ist dazu verdammt, sie zu wiederholen, heisst es. Sebastian Haffner schrieb in seiner Geschichte eines Deutschen (leider derzeit nur gebraucht zu erwerben) folgende Sätze über die Regierung Brüning, der vom 30. März 1930 bis zum 30. Mai 1932 Reichskanzler war.

In regelmäßiger Folge, etwa jedes halbe Jahr, kam eine »Notverordnung« heraus, die die Gehälter, Pensionen, sozialen Wohlfahrtsleistungen, schließlich sogar die privaten Löhne und Zinsen heruntersetzte und wieder heruntersetzte. Eins erzwang das andere, und mit zusammengebissenen Zähnen zog Brüning jede schmerzhafte Konsequenz. Manches von dem, was später zu Hitlers effektvollsten Folterinstrumenten gehören sollte, wurde von Brüning eingeführt: die »Devisenbewirtschaftung«, die die Auslandsreisen, die »Reichsfluchtsteuer«, die die Auswanderung unmöglich machte; sogar die Beschränkung der Pressefreiheit und die Knebelung des Parlaments gehen, in den Anfängen, auf ihn zurück. Dabei tat er das alles, paradox genug, im tiefsten Grunde zur Verteidigung der Republik. Aber die Republikaner begannen sich begreiflicherweise allmählich zu fragen, was ihnen nach alledem eigentlich noch zu verteidigen blieb.

Meines Wissens ist das Brüningregime die erste Studie und, sozusagen, das Modell gewesen zu einer Regierungsart, die seither in vielen Ländern Europas Nachahmung gefunden hat: Der Semi– Diktatur im Namen der Demokratie und zur Abwehr der echten Diktatur. Wer sich der Mühe unterziehen würde, die Regierungszeit Brünings eingehend zu studieren, würde hier schon alle die Elemente vorgebildet finden, die diese Regierungsweise im Effekt fast unentrinnbar zur Vorschule dessen machen, was sie eigentlich bekämpfen soll: die Entmutigung der eigenen Anhänger; die Aushöhlung der eigenen Position; die Gewöhnung an Unfreiheit; die ideelle Wehrlosigkeit gegen die feindliche Propaganda; die Abgabe der Initiative an den Gegner; und schließlich das Versagen in dem Augenblick, wo alles sich zu einer nackten Machtfrage zuspitzt.

Brüning hatte keine wirkliche Gefolgschaft. Er wurde »toleriert«. Er war das kleinere Übel: der strenge Schullehrer, der die Züchtigung seiner Schüler mit dem Spruch begleitet: »Es tut mir mehr weh als euch« – gegen den hochsadistischen Foltermeister. Man deckte Brüning, weil er der einzige Schutz gegen Hitler zu sein schien. Da er dies natürlich wußte, durfte er Hitler, von dessen Bekämpfung – und somit: von dessen Existenz – er politisch lebte, auf keinen Fall vernichten. Er mußte Hitler zwar bekämpfen, aber zugleich erhalten. Hitler durfte nicht wirklich zur Macht kommen, mußte aber immer gefährlich bleiben. Ein schwieriger Balanceakt! Brüning hielt ihn, mit Pokerface und zusammengebissenen Zähnen, zwei Jahre lang durch, und schon das war eine große Leistung. Der Augenblick, in dem er aus dem Gleichgewicht kommen mußte, konnte unmöglich ausbleiben. Was dann? Hinter der ganzen Brüningzeitstand die Frage: Was dann? Es war eine Zeit, in der eine trübe Gegenwart nur durch die Aussicht auf eine grauenvolle Zukunft gemildert wurde.

Brüning selbst hatte dem Lande nichts zu bieten als Armut, Trübsinn, Freiheitsbeschränkung und die Versicherung, daß etwas Besseres nicht zu haben sei. Allenfalls noch die Aufforderung zu einer stoischen Haltung. Aber er war eine zu karge Natur, um auch nur dieser Aufforderung eindrucksvolle Worte zu verleihen. Er warf keine Idee, keinen Appell ins Land. Er warf nur einen Schatten von Freudlosigkeit darüber.

Wird der Chaos Computer Club arriviert?

Weil ich es auch manchmal leid bin immer wieder das gleiche zu schreiben und zu sagen, es offenbar aber gerade wieder mal nötig ist, hier ein Auszug aus dem Editorial der Datenschleuder No. 94 .

Geleitwort

“Wird der Chaos Computer Club arriviert? Sind wir angekommen in den seichten Niederungen des Establishments, in den schattigen Gesprächskreisen an den Lobbyisten-Schnittchenschleudern? Bei flüchtiger Betrachtung kann einem schon der Gedanke kommen. Politiker aller Couleur werfen sich uns mit ausgebreiteten Armen an den Hals oder tun zumindest so, als würden sie beim Grauburgunder unsere fachliche Meinung hören wollen. Selbst der neue Innenminister gibt sich konziliant, erörtert unseren Datenbrief-Vorschlag und macht runde Tische wieder eckig.

Migriert die Mitte der Gesellschaft nun also ins Netz, zusammen mit den Silversurfern aus der Berufspolitikergilde? Fungiert der CCC als eine Art Vermittlungsausschuß zwischen digitalen Zuwanderern und den leicht angenervten Eingeborenen? Ist es also eher so, daß sich die Mitte rein demographisch zwangsläufig auf uns zubewegt? Sterben die analogen Telex-Dinosaurier aus oder müssen sie sich noch im und mit dem Netz arrangieren? Kommen wir in die Rolle des permanenten Erklärbärs oder – schlimmer noch – des Computer-ADAC? Der Umarmungsdruck von allen Seiten ist gerade groß. Allein, der Club ist etwa so gut zu umarmen wie ein Kaktus.

Viele haben es ob der scheinbaren Omnipräsenz in Medien und Gremien vergessen: Alles, was ihr seht, ist reine Freiwilligenarbeit, die von Leuten gemacht wird, die darauf Lust haben. Ob die Congresse, die Datenschleuder, Gutachten fürs BVerfG, die Pressearbeit: Niemand wird bezahlt, niemand gezwungen. Wenn keiner Interesse hat, weil das Thema zu öde ist oder das Gremium zu staubig und unwichtig, passiert auch nichts. Nicht zu müssen, sondern zu dürfen, ist der Kern der Unabhängigkeit des Clubs, nur so können wir unbefangen und unbeeinflußt Stellung nehmen und Expertisen beitragen zu den Themen die uns am Herzen liegen. Stopft also bitte die übersteigerten Erwartungshaltungen zurück in den Schlüpfer!”

Um Mißverständnissen vorzubeugen: natürlich macht der Club auch Fehler, baut mal Mist oder verschlampt irgendwas wichtiges. Dafür lassen wir uns auch gern kritisieren und versuchen uns nachfolgend zu bessern. Der CCC muss aber überhaupt nichts. Siehe oben. Christian Sickendieck bei fixmbr hat die bedauernswerte Situation eines besonders eifrigen Müssen-Rufers dankenswerterweise gut zusammengefasst. Und damit wenden wir uns dann mal wieder der inhaltlichen ergänzt: (und politischen) Arbeit zu und überlassen das Gezänk und Gekreisch den Berufspolitikern.

Security Nightmares – Input wanted

Seit diversen Jahren machen Ron und ich auf dem Congress die Security Nightmares, den Rückblick auf die IT-Sicherheitsalbträume des vergangenen Jahres nebst Ausblick auf das nächste Jahre, aus dem was Glaskugelblick und ein kleiner Gang in den Keller so hergeben. Dieses Jahr war ganz schön hektisch, und um nichts wesentliches zu übersehen brauchen wir wie immer die Mithilfe des Publikums. Also: was waren für Euch die wichtigsten IT-Sicherheitsalbträume 2010? Bitte nutzt die Kommentarfunktion.